Keepsake of Modern Age
Works for Viola and Violoncello
Neos 10805
1 CD/SACD stereo/surround • 70min • 2008
25.03.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Man muß mit Wiederentdeckungen angesichts eines beständig wachsenden Repertoires bei gleichzeitiger Verknappung der Ressourcen eher vorsichtig sein – die scheinbar bekannten Klassiker sollen ja nicht verdrängt werden zugunsten eines Bodensatzes, der – wie politisch inkorrekt das auch klingen mag – in vielen Fällen wohl auch zu Recht vergessen wurde. Doch dieses Album mit dem Titel „Vergessene Moderne“, für das die Bratscherin Julia Rebekka Adler und der Violoncellist Thomas Ruge gleich sieben scheinbar bekannte und heutezutage fast unbekannte Komponisten versammelt haben, verdient weite Beachtung. Dies liegt zum einen an der hier präsentierten Besetzung von Viola und Violoncello, welche noch seltener ist als das schon exotische Gespann von Violine und Violoncello, zum anderen aber auch an der komplexen Gestalt des hier als modern bezeichneten Komponierens, welches neben dem bekannten Aspekt der Avantgarde eher das ergänzende, oft aber unterdrückte Moment handwerklicher Sicherheit und damit mittelbar auch des Traditionsbezuges verdeutlicht.
Besonders verdienstvoll sind hierbei die vorgestellten Werke der unbekannten Komponisten, welche zeigen, daß die Moderne – im Gegensatz dann zur darauffolgenden Epoche – auch in wenig prominenten Figuren noch über vorzeigbare handwerkliche Standards verfügte. So beherrschte Otto Siegl (1896 – 1978) seinen Kontrapunkt wirklich, wie seine Duo-Sonate op. 139 in ihrem Ausgestalten tonaler Linien eindrücklich zeigt; seine versöhnlich wirkende Tonalität, selbst volksmusikalisch wirkende Anklänge resultieren aus der sauberen Stimmführung. Eine Spielmusik, sicher, aber eine, in welcher sich 1945 das Komponieren zunächst wieder auf das reine Material besann.
Die zwei Charakterstücke Rebecca Clarkes (1886 – 1979), Lullaby and Grotesque, sind eher romantisch gestimmt und nicht ohne kleine Anleihen an Richard Strauss verfaßt; bei diesen Miniaturen aber überrascht, wie die Komponistin, Schülerin von Stanford, stellenweise durch Doppelgriffe den Eindruck eines weitaus größeren Ensembles erreicht. Vom linear denkenden Otto Siegl und dem eher akkordischen Arbeiten Rebecca Clarkes hebt sich wiederum das Duo op. 47/4 des Berliners Günter Raphael ab, weil bei ihm der überlegen beherrschte Kontrapunkt mit untergründiger Aggressivität und spitzen Tönen, unter Auslotung sämtlicher spieltechnischer Möglichkeiten von pizzicato bis sul ponticello, deutlich charakteristisch eingefärbt wird. Vergleichbar dazu werden Lutoslawskis fünf kurze Studien Bukoliki vorgestellt, in welcher hart gegeneinander gesetzte Rhythmen eine weitaus größere Rolle spielen als die Mehrgriffigkeit. Die Pointiertheit Raphaels und Lutoslawskis machen dann im direkten Vergleich stärkeren Effekt als Hindemiths Duett, das sich offen modernistischer gibt, aber ein wenig zerstreut wirkt – und freilich auch in sehr kurzer Zeit als Gelegenheitswerk entstanden war. Im wohl bekanntesten Stück dieses Albums, der Sonatine op. 378 von Darius Milhaud, wird viel mit Einstimmigkeit, also dem Alternieren der Instrumente, gearbeitet. Einen geradezu meisterlichen Ausklang stellen die beiden winzigen, zusammen gerade einmal vier Minuten langen Chassidischen Tänze des im KZ Theresienstadt gestorbenen Chemnitzers Siegmund Schul.
Julia Rebekka Adler und Thomas Ruge sind Solisten bei den Münchner Philharmonikern und spielen diese Stücke mit viel Klangsinnlichkeit, nicht etwa pastos, wie solistisch auftretende Orchestermusiker oft spielen, aber auch nicht allzu spitz. Hinweisen muß man auch auf die ausgezeichnete Kommentierung dieser sorgfältig gestalteten Edition durch Christoph Schlüren, einen ausgewiesenen Experten für vergessene Musik.
Prof. Michael B. Weiß [25.03.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Otto Siegl | ||
1 | Duo-Sonate op. 139 für Viola und Violoncello | 00:15:44 |
Rebecca Clarke | ||
6 | Lullaby and Grotesque | 00:05:44 |
Paul Hindemith | ||
8 | Duett für Viola und Violoncello | 00:04:47 |
Günter Raphael | ||
9 | Duo op. 47 Nr. 4 für Viola und Violoncello | 00:15:40 |
Witold Lutoslawski | ||
13 | Bukoliki für Viola und Violoncello | 00:06:42 |
18 | Sonatine op. 378 für Viola und Violoncello | 00:17:11 |
Zikmund Schul | ||
21 | Zwei Chassidische Tänze op. 15 | 00:04:09 |
Interpreten der Einspielung
- Julia Rebekka Adler (Viola)
- Thomas Ruge (Violoncello)