cpo 777 129-2
2 CD • 84min • 2004
18.03.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Freunde des Violinspiels kommen derzeit zweifellos auf ihre Kosten. Womit sich normalerweise angehende Geiger im stillen Kämmerlein plagen, das wird jetzt in exemplarischer Wiedergabe als Kunstgenuss auf CD dargeboten. Etüden von Gaviniès und Dont, Konzerte und Etüden von Kreutzer, und nun eine neue Gesamtaufnahme der 24 Caprices en forme díétudes von Pierre Rode, die bis heute ein unverzichtbarer Teil der Studienliteratur für junge Violinisten sind.
Rode, 1774 in Bordeaux geboren, war der Lieblingsschüler Giovanni Battista Viottis und begründete zusammen mit Pierre Baillot und Rodolphe Kreutzer die französische Violinschule, als deren herausragender Vertreter er galt. Gemeinsam verfassten die drei für das Pariser Conservatoire ein Lehrwerk, das zur Grundlage der modernen Violintechnik wurde. Als konzertierender Virtuose wurde Rode in ganz Europa gefeiert und ließ seine Professur immer wieder zu Gunsten von ausgedehnten Tourneen ruhen. Vier Jahre lang lebte er in St. Petersburg als Soloviolinist am Zarenhof, 1804 ließ er sich für fünf Jahre in Berlin nieder. Er komponierte fast ausschließlich Werke für sein Instrument, darunter 13 Violinkonzerte, 10 Quatuors brillants, Duo- und Solostücke, von denen eines sogar in gesungener Form Eingang ins Repertoire berühmter Primadonnen wie Malibran und Viardot-Garcia fand, was für die Kantabilität von Rodes Schreibweise spricht.
Bei den in der Berliner Zeit entstandenen Capricen handelt es sich denn auch mehr um Vortrags- als um Übungsstücke. Sie sind nicht nach didaktischen Gesichtspunkten, sondern nach dem Quintenzirkel angeordnet – 24 kurze Stücke (zwischen eineinhalb und fünfeinhalb Minuten Spieldauer) unterschiedlichen Charakters bei meist ähnlicher formaler Anlage. In der Regel haben sie eine knappe dreiteilige Form, bei manchen ist dem bewegten Teil eine langsame Einleitung vorangestellt. Jede der Capricen rückt einen bestimmten technischen Aspekt des Geigenspiels in den Mittelpunkt – unterschiedliche Stricharten, Geläufigkeit, Sprünge, Tonleitern, Doppelgriffe etc. – und sichert damit eine abwechslungsreiche Vortragsfolge.
Die Geigerin Elizabeth Wallfisch wird heute zu den führenden Repräsentanten der historisierenden Aufführungspraxis gezählt. Sie geht (mit einer Violine von 1750 und einem Bogen von 1782) die Capricen recht energisch und kraftvoll an, immer bestrebt, jeden Anflug von maschineller Etüdenhaftigkeit zu vermeiden und die Musik durch dynamische Kontraste, Zäsuren oder Dehnungen zum Reden zu bringen. Dabei geht sie das Risiko ein, manche Phrase durch überlangsames Tempo zerfallen zu lassen und in den motorischen Sätzen den musikalischen Fluss zu stören. Das Bemühen, alles üüberdeutlich zu präsentieren, hat einen Anflug von Betulichkeit. Deshalb wird man auf die alte romantisierende, aber über weite Strecken deutlich elegantere und sinnfälligere Einspielung von Oscar Shumsky nicht verzichten wollen, auch wenn die Neuveröffentlichung mehr stilistische Korrektheit für sich in Anspruch nehmen kann und – unter der Lupe einer Aufnahmetechnik, die dem Instrument so nah wie irgend möglich auf den Leib rückt – ohne Frage eine Fülle von interessantem Anschauungsmaterial für junge Violin-Adepten bietet.
Sixtus König † † [18.03.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Pierre Rode | ||
1 | 24 Caprices en forme d'études |
Interpreten der Einspielung
- Elizabeth Wallfisch (Violine)