Franz Liszt
Vesselin Stanev
RCA 88697 65844 2
1 CD/SACD stereo/surround • 65min • 2010
03.06.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn ein Pianist seine Bravour und seine Brillanz beweisen will, dann liegt der Griff zu Franz Liszts Etudes d’exécution transcendante nahe. Kaum an einem andern Werk dieses Komponisten lässt sich klavieristische Fingerfertigkeit so ohrenfällig demonstrieren wie an den zwölf Stücken, die zunächst als „Virtuose Studien“ betitelt waren. In einer zweiten, erweiterten Fassung wurde dieser Aspekt noch forciert, so dass sogar der (skeptische) Liszt-Anhänger Robert Schumann einen „Pomp neugewonnener Virtuosität“ beklagte. Kurzum, der Interpret findet sich permanent mit dem Konflikt zwischen manueller Überdosis und gestalterisch bewältigtem Kraftakt konfrontiert.
Zunächst scheint sich der Bulgare Vesselin Stanev in dieser seiner zweiten Veröffentlichung für ein westliches Label (nach einer Skrjabin-CD) ganz dem Image eines Effektpianisten zu verschreiben. Dazu mag allerdings auch die Aufnahmetechnik beitragen – der dynamische Pegel ist sehr hoch und droht fast die Lautsprecher zu sprengen. Indes will sich der 46jährige Pianist nicht mit der Allüre des überbordenden Klaviermagiers begnügen. Er kennt wohl Busonis Wort, dass hier die Technik „Helferin der Idee" sein müsse, dass also die Effekthäufung einer poetischen Durchdringung zu unterziehen sei. Das gilt zumal für die langsameren Etüden Nr. 3, 9 und 11, die Stanev deutlich von den Tongewittern der übrigen Nummern absetzt; in den Harmonies du soir werden künftige Entwicklungen bis hin zu Skrjabin und zum Impressionismus vorweggenommen.
Ein Fingerzeig mögen zudem die von Liszt später hinzugesetzten Überschriften für zehn der zwölf Abschnitte sein. Damit wird auf außermusikalische Aspekte verwiesen samt frappanter Annäherung an die vom Komponisten selber fleissig gepflegte Gattung der Sinfonischen Dichtung (Mazeppa zum Beispiel, frei nach Victor Hugos Poem, ist wirklich aus der gleichnamigen Klavieretüde herausgewachsen). Solcherart tritt, und keineswegs zufällig, das Quasi-Orchestrale in dieser Musik in den Vordergrund. Genau das reizt Vesselin Stanev – aufzuzeigen, welch klangliche Möglichkeiten und Experimente sich hier auftun. Dass dabei die betörende Exaltation mitunter fast etwas Fiebriges bekommt, liegt in der Sache selber begründet. Der Pianist will und muss jedenfalls seine Virtuosenallüre nicht unter den Scheffel stellen. Soviel entfesselte Lust (am Rausch?, am Bluff?, an der Selbstdarstellung?) hat, zugegeben, etwas Atemberaubendes an sich.
Mario Gerteis † [03.06.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Douze Etudes d'exécution transcendante S 139 |
Interpreten der Einspielung
- Vesselin Stanev (Klavier)