Carl Philipp Emanuel Bach Hamburger Quartalsmusiken
cpo 777 594-2
2 CD • 1h 40min • 2009
31.08.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Als Carl Philipp Emanuel Bach 1767 in Hamburg die Nachfolge seines verstorbenen Paten Georg Philipp Telemann als Kantor des Johanneums und Direktor der Musik an den fünf Hauptkirchen antrat, war er bereits 54 Jahre alt, ein weithin gerühmter Cembalist, ein berühmter Musiktheoretiker und bekannter Komponist. Mit geistlicher Musik, die nun den Hauptteil seines Berufsfeldes ausmachen sollte, hatte er freilich kaum mehr zu tun gehabt, seit er als Heranwachsender in Leipzig seinem Vater bei der Ausübung des Amtes des Thomaskantors zur Hand gegangen war.
Die mit dem Wechsel vom „Berliner“ zum „Hamburger Bach“ verbundenen neuen Aufgaben dürften Carl Philipp Emanuel Bach erfreut haben, hatte sich doch sein Dienstherr, König Friedrich der Große, selten freundlich gegen ihn gezeigt und seiner Musik wenig Beachtung geschenkt. Die Anstellung als Kammercembalist bei Friedrich hatte mehr dem berühmten Namen gegolten, mit dem der preußische Kronprinz und nachmalige König sich gern schmücken wollte; den avantgardistischen Musiktendenzen Philipp Emanuels stand der musikalisch hochgebildete Friedrich eher distanziert gegenüber – der Musikgeschmack Seiner Majestät tendierte mehr zu den konservativ galanten Tönen, die ihm sein Flötenlehrer Quantz und die Gebrüder Graun lieferten. Im aufblühenden geistigen Leben Berlins fand Bach freilich Anerkennung und nutzte reichlich die Gelegenheit zu geistigem Austausch.
Die Pflicht, die Kirchen der Stadt für die sonntäglichen Gottesdienste mit Kantaten auszustatten und alljährlich oratorische Passionen aufzuführen, kannte Carl Philipp Emanuel Bach (im Familienkreis vertraulich und mit vermutlich stark sächsischem Akzent „der Kårl“ genannt) schon vom Vater her. In Hamburg kamen noch die so genannten Quartalsmusiken hinzu, die zu den hohen Kirchenfesten der Stadt (Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Michaelis) nacheinander in allen fünf Hauptkirchen aufgeführt wurden. Dabei entsprach die Reihenfolge der Aufführungen dem Alter der Kirchspiele: Auf St. Petri folgte St. Nikolai, dann St. Katharinen und St. Jacobi – und schließlich das erst 1685 in den Rang einer Hauptkirche erhobene Neustadtskirchspiel von St. Michaelis. Für diese Quartalsmusiken, von denen man passend zu den hohen Festen einen repräsentativen musikalischen Rahmen erwartete, verwendete Bach ausschließlich bereits bestehende Kompositionen – sie sind folglich alle Pasticci. Das ist keinesfalls lediglich unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsersparnis gering zu schätzen – der zu den Festgottesdiensten zahlreichen Gemeinde wurde hier vielmehr eine Folge besonders beliebter Kompositionen vorgeführt; freudige Wiedererkennungserlebnisse konnten die langwierigen (vermutlich für viele auch langweiligen) Gottesdienste zeitweilig etwas unterhaltsamer gestalten. Bei den Chorälen dürfte die Gemeinde sich sogar am Gesang beteiligt haben.
Ludger Rémy hat vier Quartalsmusiken, für jedes Hochfest eine, zu einem Jahrgang zusammengestellt. Besonders durch seine Vorliebe für Georg Philipp Telemanns Musik verdankt man Rémy bereits vielfältige Dokumentationen des Hamburger Musiklebens im 18. Jahrhundert, auch der geistlichen Musik Philipp Emanuel Bachs hat er sich bereits gewidmet. Seine Himlische Cantorey ist mit zwölf Sängern, darunter acht, die auch solistische Aufgaben übernehmen, zeitgemäß passend klein besetzt – große Chöre kommen in der geistlichen Musik erst nach dem Tod Carl Philipp Emanuel Bachs aus England auf den Kontinent herüber. Die Musik dieser Quartalsmusiken scheint uns heute fremder als die des Vaters Bach, der mit Kantatenaufführungen in vielen Gemeinden seit langem fester Bestandteil der Musik heutiger Gottesdienste ist (wobei die barock-bildhaften Texte der Bach-Kantaten und Passionen wohl heutzutage keine besondere geistliche Inspiration mehr darstellen dürften). Die Quartalsmusiken des Sohnes spiegeln bereits die veränderte Frömmigkeit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die sowohl durch die Aufklärung als auch durch stärker vom religiösen Gefühl her bestimmte pietistische Strömungen geprägt war. So wird man die Musik dieser beiden CDs weniger „bekannt“ empfinden als Einspielungen von Kantaten und Passionen J. S. Bachs. Gerade das musikalische Zeitbild einer Epoche, die unser heutiges geistiges Leben fundamental mitbestimmt hat, ist allerdings von erheblichem Interesse und wird hier authentisch gestaltet.
Detmar Huchting [31.08.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Carl Philipp Emanuel Bach | ||
1 | Nun danket alle Gott H 805 | 00:25:36 |
11 | Herr, lehre uns tun H 817 | 00:22:20 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Siehe! Ich begehre deiner Befehle H 812 | 00:23:43 |
9 | Ehre sei Gott in der Höhe H 811 | 00:28:07 |
Interpreten der Einspielung
- Himlische Cantorey (Chor)
- Les Amis de Philippe (Ensemble)
- Ludger Rémy (Dirigent)