DG 477 9289
1 CD • 67min • 2010
26.01.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Es ist zumindest die dritte Platteneinspielung, die Thomas Hampson den Wunderhorn-Liedern Gustav Mahlers widmet. Erstaunlich, aber die Stimme des inzwischen 55-jährigen amerikanischen Baritons (der die deutsche Sprache perfekt beherrscht, was in diesem Falle alles andere als unwichtig ist) zeigt überhaupt keine Abnützungserscheinungen – trotz gelegentlicher Abstecher ins hochdramatische Bühnenfach à la Tosca-Scarpia. Gerade der Vergleich mit der vor fast zwanzig Jahren besorgten Einspielung dieser Mahler-Gesänge (damals mit Klavierbegleitung durch Geoffrey Parsons) zeigt, dass Hampsons gestalterische Möglichkeiten in nichts nachgelassen haben, weder im mühelosen Erklimmen der höheren Regionen noch in der geschmeidigen Melodieführung. In der wehmütigen Schlichtheit etwa von „Wo die schönen Trompeten blasen“, wo Hampson heute fast noch zurückhaltender argumentiert als seinerzeit, zeigt sich eine Verinnerlichung, die von absoluter Vertrautheit mit dieser Musik zeugt. Wie nahtlos vermag der Sänger in die verschiedenen vokalen Masken dieser Wunderhorn-Vertonungen zu schlüpfen, sei es als nüchterner Kommentator, sei es als emotional Angerührter! Das bewahrt ihn auch davor, nur gerade baritonalen Balsam (über den er verschwenderisch verfügt) in unser Ohr zu streuen. Das irritierend Schillernde in Mahlers Musik bleibt stets eingeschlossen.
Die Aufnahme war offenbar ein Herzensanliegen Thomas Hampsons und damit mehr als bloss der obligate Beitrag eines erfahrenen Mahler-Interpreten zum 100. Todestag des Komponisten. Die Aufnahme ist kaum zufällig als Projekt der „Hampsong Foundation“ ausgewiesen. Aber da ist noch etwas anderes: die instrumentale Begleitung. Ein Experiment, über das man debattieren mag und das sicher Aufmerksamkeit verdient. Mahler selber hat Des Knaben Wunderhorn in zwei Fassungen hinterlassen, mit Klavierbegleitung oder mit der Assistenz eines Orchesters. Hier wird ein Mittelweg eingeschlagen, mit solistischer Besetzung der instrumentalen Stimmen. Dafür sorgen die Wiener Virtuosen, das sind erste Krääfte der Wiener Philharmoniker. Ein Zehnerverband üblicherweise (fünf Streicher, fünf Bläser), gelegentlich sanft aufgestockt. Die Begleitung klingt dünner als gewohnt und zugleich transparenter – kein Klangrausch, sondern Klangsensibilität. Hampson selber, davon kündet der von ihm mitverfasste Einführungstext, vertritt die Meinung, dass Mahlers Orchesterlieder vokale Kammermusik darstellen. Die Einspielung sei ein Versuch, „dem vermuteten Klangideal nachzukommen“. Das mag mehr oder minder verwegene Spekulation sein, aber es kommt zweifellos der Doppeldeutigkeit von Mahlers naiv-raffiniertem Umgang mit dem gebrochenen Volksliedton nahe. Daher sei die CD, allem stilistischem Stirnrunzeln zum Trotz, mit der Maximalnote belohnt.
Mario Gerteis † [26.01.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Des Knaben Wunderhorn (Liedzyklus - Der Schildwache Nachtlied, Verlorne Müh, Trost im Unglück, Wer hat dies Liedlein erdacht, Das irdische Leben, Des Antonius von Padua Fischpredigt, Rheinlegendchen, Lied des Verfolgten im Turm, Wo die schönen Trompeten blasen, Lob des hohen Verstandes, Es sungen drei Engel, Urlicht, Revelge, Der Tamboursg'sell) |
Interpreten der Einspielung
- Thomas Hampson (Bariton)
- Wiener Virtuosen (Orchester)