René Pape Wagner
DG 00289 477 6617
1 CD • 63min • 2010
10.05.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Selten noch waren bei einer CD-Neuerscheinung die Erwartungen so hoch wie diesmal: René Pape, „the greatest operatic bass in the world" (so steht's auf dem Cover) mit seinem ersten Wagner-Album, dazu die Berliner Philharmoniker unter Daniel Barenboim, Chor der Lindenoper, Plácido Domingo als Gastsänger. Reicher kann der Operntisch nicht gedeckt sein. Und doch – man geht ziemlich hungrig und unbefriedigt von der Tafel. Wenn man auch nicht gerade von einer Enttäuschung reden kann, steht doch fest, dass ein beträchtliches „Mehr" zu erhoffen war.
Ein Hauptmangel der Aufnahme besteht im Fehlen der richtigen Balance zwischen Singstimme und Orchester. Wotans Abschied und Feuerzauber aus Die Walküre, die Eingangsnummer: Da erklingt die Stimme so weit weg, wie durch verschlossene Türen, so stumpf, so müde, da fehlt alles Markige, Zwingende – das alles ist ganz unpassend zum Überschwang, den das Orchester erzeugt. Fast teilnahmslos wirkt der Vortrag, von einzelnen, geradezu liedhaft empfundenen Momenten (mit des Lebewohles letztem Kuß) abgesehen. Dass sich mit dem Leb wohl mein stolzes, herrliches Kind! ein spontaner, überwältigender Gefühlsausbruch vollzieht, kommt kaum zum Vorschein.
René Papes weit ausgreifende, klar und voll tönende Prachtstimme war 1994 das sängerische Hauptereignis der Bayreuther Festspiele (in der Rolle des Fasolt). Im Publikum ging damals der Spruch von Mund zu Mund: der kommende Sachs! Diese Rolle hat sich Pape noch immer aufgespart, aber hier, in seinem Recital, kommt er damit zweimal zu Wort. Der Fliedermonolog wird tadellos gesungen und gesprochen, mit gepflegtem, ebenmäßigem Vortrag, ist aber doch auch um einige Grade zu nüchtern. Der milde Sehnsuchtston, den so viele Sachs-Sänger aus älterer Zeit so wunderbar getroffen haben, will sich nicht recht einstellen. Die Schlussansprache – geschickt in einer Art Parlando vorgetragen, mit leichter, schlanker Tongebung – wirkt doch für den großen rhetorischen Moment zuwenig direkt und durchgreifend. Dazwischen ein Meistersinger-Ausschnitt, der wohl erstmals in einem Solo-Recital auftaucht: Das (zweite) Nachtwächter-Solo. Ein paar Takte, vorgetragen mit einer Luxusstimme, die für diese Rolle gar nicht gebraucht wird.
König Heinrichs Begrüßungsansprache aus Lohengrin – eine ganz verunglückte Aufnahme. Der Sänger im Kampf mit jedem hohen Ton. Ungünstige Disposition, vielleicht durch Überanstrengung verursacht. Wäre besser weggeblieben.
Parsifal – die große Gurnemanz-Szene aus dem dritten Akt, beginnend mit O Gnade! höchstes Heil!, dazu Taufszene, Karfreitagszauber. Ein langes Stück, mehr als zwanzig Minuten. Als Tenor-Partner der siebzigjährige Domingo, der weder stimmlich noch sprachlich eine Rechtfertigung für dieses Comeback bietet. Als Gurnemanz befindet sich Pape in jener Sphäre, die seinem Stimmtypus am besten entgegenkommt. Da klingen die Töne, die Worte, da formt sich ein Charakter, da wird Anteilnahme spürbar. Auch die Präsenz der Stimme stellt sich hier vollgültig ein. Dieses Parsifal-Fragment hebt den müden Eindruck der vorherigen Nummern wieder auf, dasselbe gilt auch für das abschließende und empfindungsvoll gesungene Abendstern-Lied aus Tannhäuser. Das ist überraschend, weil nicht ganz selbstverständlich für eine Bass- oder in diesem Fall richtiger: für eine Bassbariton-Stimme.
Dass René Pape bei Wagner ein „Zuhause" hat, steht außer Zweifel. Sein erstes Wagner-Album ist allzu prätentiös ausgefallen. Doch es erweckt Hoffnungen auf Fortsetzung unter weniger spektakulären Umständen.
Clemens Höslinger [10.05.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Richard Wagner | ||
1 | Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind (3. Aufzug, Wotans Abschied und Feuerzauber - aus: Die Walküre) | 00:04:42 |
2 | Der Augen leuchtendes Paar (3. Akt, 3. Szene - aus: Die Walküre) | 00:05:57 |
3 | Loge, hör! Lausche hier! (3. Akt, 3. Szene - aus: Die Walküre) | 00:04:43 |
4 | Was duftet doch der Flieder (2. Aufzug, Monolog des Hans Sachs - aus: Die Meistersinger von Nürnberg) | 00:06:41 |
5 | Hört, ihr Leut (2. Akt: Nachtwächter - aus: Die Meistersinger von Nürnberg) | 00:02:39 |
6 | Verachtet mir die Meister nicht (3. Aufzug, Hans Sachs, Volk - aus: Die Meistersinger von Nürnberg) | 00:06:35 |
7 | Gott grüß euch (1. Akt: König Heinrich, Sachsen, Thüringer - aus: Lohengrin) | 00:02:58 |
8 | O Gnade, höchstes Heil! (3. Akt: Gurnemanz, Parsifal - aus: Parsifal) | 00:06:13 |
9 | Und ich, ich bin's (3. Akt: Gurnemanz, Parsifal - aus: Parsifal) | 00:05:28 |
10 | Gesegnet sei, du Reiner (3. Akt: Gurnemanz, Parsifal - aus: Parsifal) | 00:05:01 |
11 | Wie dünkt mich doch die Aue (3. Akt: Gurnemanz, Parsifal - aus: Parsifal) | 00:06:54 |
12 | Wie Todesahnung ... O du, mein holder Abendstern (3. Akt: Wjolfram - aus: Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg) | 00:04:55 |
Interpreten der Einspielung
- René Pape (Bass)
- Chor der Staatsoper Unter den Linden (Chor)
- Staatskapelle Berlin (Orchester)
- Daniel Barenboim (Dirigent)