Alice Sara Ott
Beethoven
DG 477 9291
1 CD • 66min • 2010
19.09.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Zweifellos, Alice Sara Ott – deutscher Vater, japanische Mutter – hat es früh geschafft, ganz oben ins CD-Business einzusteigen. 2007, da war sie gerade 19, erhielt sie bei der Deutschen Grammophon einen Exklusivvertrag. Ihre drei ersten CDs – Chopin, Tschaikowsky, Liszt – zeigen eine Pianistin mit virtuoser Handschrift, die auch lyrische Eigenarten zu wahren sucht. Jetzt führt sie ihr Opus 4, Beethoven gewidmet, in andere und mehr als einer Hinsicht schwierigere Gefilde. Die junge Künstlerin lässt trotz ihres beherzten Credos („die beiden Sonaten sind ein Teil von mir") hier Grenzen erkennen, und das hat nichts mit der technischen Fertigkeit zu tun, sondern mit der Fähigkeit, bei diesen komplexen Gebilden die äußere mit der inneren Spannung in eine schlüssige Beziehung zu bringen.
Natürlich verweist Alice Sara Ott – im CD-Beiheft – zu Recht darauf hin, dass die beiden C-Dur-Sonaten op. 2 Nr. 3 und op. 53 von einem verhältnismäßig jungen Komponisten stammen und sie erinnert auch daran, dass das letztere Werk, die so genannte „Waldstein-Sonate", im Umfeld des düsteren Heiligenstädter Testaments entstanden ist. Ist das aber auch zu hören? Es entstehen eindrucksvolle, oft schön gerundete Tableaux, die sich freilich nur mühsam zu einem geschlossenen Ganzen formen wollen. Anders gesagt: prächtige, zum Teil spielerische, zum Teil poetische Stimmungsbilder werden entwickelt und verlieren den Zusammenhang mit dem großen Bogen. Das Betörende und die tiefere, nennen wir sie die strukturelle Dimension, vermögen nur bedingt ineinander zu greifen.
Die übrigens bereits im August 2010 aufgezeichnete, aber erst jetzt veröffentlichte Einspielung verpasst es also bis zu einem gewissen Grad, die brillante Außenseite mit einer tiefer greifenden Aussage zu „belasten". Ein bisschen härter formuliert: Es geht an die Sinne, nicht unbedingt aber unter die Haut. Da wissen die kürzeren Stücke, das Andante favori (ursprünglich der langsame Mittelsatz in der „Waldstein-Sonate") und vor allem das Rondo a capriccio mit dem einprägsamen, wenn auch nicht vom Komponisten stammenden Untertitel „Die Wut über den verlorenen Groschen" durch ihre geradlinige Schlüssigkeit im ersteren Fall und ihre muntere Vitalität im letzteren Fall fast mehr zu überzeugen. Aber, wie angedeutet, Alice Sara Ott ist sehr jung, sie räumt selber ein, dass sie die gleichen Werke in einem Jahr vielleicht ganz anders spielen würde. Sie möchte eben den Hier-und-Jetzt-Moment festhalten, denn für jeden Musiker, für jede Musikerin komme „irgendwann der Punkt, die eigene Auseinandersetzung mit Beethoven zu dokumentieren".
Mario Gerteis † [19.09.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 3 C-Dur op. 2 Nr. 3 | 00:26:41 |
5 | Klaviersonate Nr. 21 C-Dur op. 53 (Waldstein-Sonate) | 00:24:44 |
8 | Andante favori F-Dur WoO 57 | 00:07:52 |
9 | Rondo a capriccio G-Dur op. 129 (Die Wut über den verlorenen Groschen ) | 00:06:20 |
Interpreten der Einspielung
- Alice Sara Ott (Klavier)