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Besprechung CD

cpo 777 578-2

1 CD • 53min • 2010

18.05.2012

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

„Musik muss strömen! Gibt es Schöneres, als in ihren Strom zu kommen?" Diesem Credo Heinrich Kaminskis (1886-1946) nicht bedingungslos zu folgen, ist bei der vorliegenden künstlerisch wie klanglich absolut einwandfreien cpo-Produktion kaum möglich. Das Werk für Streichorchester – eine auf Anregung von Kaminskis Verleger entstandene und von dem Kaminski-Schüler Reinhard Schwarz-Schilling angefertigte chorische Streicherfassung des Kaminski-Streichquintetts fis-Moll (1916) – packt den Hörer vom ersten Ton an und lässt ihn bis zum pianissimo-Schluss des gewaltigen Finalsatzes nicht mehr los. So geschehen bereits bei der Uraufführung dieser Orchesterversion von 1929, über die ein Kritiker zu berichten weiß: „Musik aus einem Guss, die, einmal im Zuge, Musiker und Dirigenten trägt und fühlbar den Zuhörer in ihren suggestiven Bannkreis zwingt." Wie in seinem Vokal-Schaffen offenbart sich auch in Kaminskis Werk für Streichorchester die für den Komponisten so typische spirituell fundierte, so inbrünstige und kraftvolle, spannungsgeladene und komplexe Tonsprache zwischen Spätromantik und einem Suchen nach einer neuen Tonalität. Abseits jeglicher Trends und Modeerscheinungen schafft Kaminski hier eine hymnische und tröstliche, aber auch ekstatische Musik von stellenweise ungeheurer Wucht, basierend auf den harmonischen Errungenschaften seiner Zeit und der Kontrapunktik eines Bach, Beethoven und Bruckner.

Jeder der fast nahtlos ineinander übergehenden vier Sätze ist von strenger Polyphonie durchzogen, die sich einem jedoch kaum erschließt, gibt man sich dem organisch anwachsenden Strömen dieser Musik vollständig hin (ein Vergleich mit der originalen Quintettgestalt war mir nicht möglich, da ich leider keiner Aufnahme des Quintetts habhaft werden konnte). Wucht und eine hypnotisierende Innigkeit sprechen aus dem sonatenartig gebauten Kopfsatz, in welchem weniger die Varianten der melodischen Grundgedanken für eine enorme Spannung sorgen, als vielmehr das Spiel mit verschiedenen Tempoebenen. Die ruhige Bewegung des liedähnlichen, aber ohne klar umrissene Themen auskommenden 2. Satzes erweckt den Eindruck einer gewissen Entrücktheit, eines Taktgrenzen außer Acht lassenden, der Zeit enthobenen Strömens. Ähnliches gilt für den scherzoartigen 3. Satz mit seinen packenden Taktwechseln. Trotzdem steht hier, wie auch in den anderen Sätzen, das melodische Element im Zentrum von Kaminskis Kompositionstechnik, ungeachtet der Betonung unterschiedlicher Tempoebenen und Taktarten. Eine bei allen lyrischen Momenten fast atemlose Erregung prägt schließlich das großartige Fugen-Finale, in welchem Kaminski immer neue Variationen des Grundthemas bildet und diese auf mannigfaltige Weise immer wieder neu zusammenfügt. Mit dem Rückgriff auf die Tempowechsel des Kopfsatzes zieht der Komponist schließlich auch noch eine große sinnstiftende Klammer über das gesamte Werk.

Es ist Lavard Skou-Larsen und der Deutschen Kammerakademie Neuß gar nicht hoch genug anzurechnen, wie engagiert und inspiriert sie die ungeheure Energie dieser farbigen und mitunter sehr bildkräftigen Musik nicht einfach fesselnd, vielmehr auf geradezu ideale Weise sich entfalten lässt. Und das keineswegs Beifall heischend, sondern ungemein hellhörig, in dem sie auch inmitten eines vollen Streicherklangs eine gewisse Concerto-grosso-Praxis, das Mit- und Gegeneinander von Streicherensemble und einem daraus gebildeten Quintett mustergültig abbilden.

Christof Jetzschke [18.05.2012]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Heinrich Kaminski
1Werk für Streichorchester (Orchesterfssg., arr. Reinhard Schwarz-Schilling)

Interpreten der Einspielung

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