English Recorder Concertos
OUR Recordings 6.220606
1 CD • 59min • 2011
28.06.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die Kunst von Inselvölkern zeichnet sich oft durch eine – im besten Sinne – konservative Eigenwilligkeit aus. So unterscheidet sich schon seit Jahrhunderten die Musik der Britischen Inseln deutlich von der des Europäischen Festlands. Im Zwanzigsten Jahrhundert bewahrte sich die Insel gegenüber den Exzessen der Zweiten Wiener Schule und Donaueschingens eine gelassene Distanz, um mit eigenen, bemerkenswert originären Komponisten aufzuwarten. Talente (ja, ich möchte sagen: Genies) wie etwa Britten oder Tippett hätten sich auf dem Kontinent wohl kaum so individuell entwickelt. Und da Vielfalt bekanntermaßen erfreut, ist in Großbritannien in den vergangenen achtzig Jahren eine originelle Blockflötenmusik erwachsen, von der der Rest Europas erst erstaunlich spät Kenntnis genommen hat. Eine zentrale Rolle spielte hierbei Carl Dolmetsch (1911-1997), der für seine über Jahrzehnte hinweg jährlich stattfindenden Wigmore Hall Recitals Originalwerke bei den renommiertesten britischen Komponisten bestellt hat. Mit unglaublichem Enthusiasmus setzt bis auf den heutigen Tag der Blockflötist John Turner (Jg. 1943) diese Tradition fort und bleibt mit über 500 initiierten und uraufgeführten Werken am Puls der Zeit.
Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Blockflötisten fühlte sich Michala Petri der englischen Musik stets tief verbunden. Mit ihrer neuen CD erweist sie dieser eindrucksvollen Tradition ihre Reverenz und vereint mit Gordon Jacobs' Suite, Malcolm Arnolds Konzert sowie Richard Harveys 2009 entstandenen Concerto incantato zwei „Klassiker" mit einem aufregenden neuen Werk, das sich sicher bald einen Spitzenplatz im modernen Repertoire erobern dürfte. Als idealer Partner für Petris virtuoses, kristallklares Spiel fand sich das hervorragend disponierte, präzise, sensibel und präsent agierende City of Hong Kong Chamber Orchestra unter Leitung von Jean Thorel.
Mit Richard Harvey (Jg- 1953) hat Petri einen der bekanntesten Komponisten Englands und darüber hinaus weltweit gefragtesten Filmmusikkomponisten gewinnen können, für sie und ihr Instrument zu schreiben. Sein 2009 vollendetes Concerto incantato entstand zum zehnjährigen Bestehen des City of Hong Kong Chamber Orchestra und wirkt der Solistin wie auf den Leib geschneidert. Selbst ein beachtlicher Blockflötist, kennt Harvey das Instrument sehr genau und versteht es daher, die besonderen Vorzüge der Blockflöte herauszustellen. Die Satztitel des fünfteiligen Werkes verweisen in die Welt des Zauberischen, Märchenhaften. Mit kantablen Melodien, zündender Rhythmik und fantasievoller Instrumentation spricht das Konzert unmittelbar an. Bemerkenswert etwa die Kombination von tiefer Klarinette und hoher Blockflöte im dritten Satz Danza Spiriti, besonders effektvoll der Finalsatz, der mit seiner minimalistischen Einleitung, tänzerischer Verve in wechselnden Taktarten und einer virtuosen Solokadenz das Konzert beschließt. Ein Meisterwerk!
Sir Malcolm Arnold (1921–2006) zählte zu den vielseitigsten und fruchtbarsten britischen Komponisten der Gegenwart. Selbst ganz aus der Praxis kommend (er war Trompeter beim London Philharmonic Orchestra) strahlt seine Musik Spielfreude aus und erfreut sich nicht von ungefähr ungebrochener Beliebtheit bei Interpreten und Publikum gleichermaßen. Sein 1988 für Michala Petri komponiertes Konzert ist klassisch dreisätzig angelegt. Herausragend dabei der gesangliche Mittelsatz und das spritzige Finale. Der „Leggiero-Ton" des Werkes überrascht, entstand es doch nur kurze Zeit nach der grandiosen 9. Sinfonie, die Zeugnis von einer physisch wie psychisch äußerst schwierigen Lebensphase des Meisters ablegt.
Der Kreis schließt sich mit einem Werk von Arnolds Kompositionslehrer Gordon Jacob. Seine 1957 auf Anregung Carl Dolmetschs geschriebene Suite zählt auch noch nach über fünfzig Jahren zu den beliebtesten englischen Blockflötenwerken des 20. Jahrhunderts. Jacobs' Musik, geschult am Stil seiner Lehrer Stanford und Howells und seines Freundes Vaughan Williams, steht dabei in bester britischer Tradition. Glanzpunkte seiner Suite sind die Burlesca alla rumba und die unwiderstehliche Final-Tarantella.
Wie stets bei OUR Recordings überzeugen Design (Michala Petri vor der Kulisse von Stonehenge) und vor allem auch die vorzüglichen, ausführlichen Beihefttexte. Eine höchst empfehlenswerte CD, die nicht nur ausgesprochene Blockflötenfans, sondern ein breites Publikum begeistern wird!
Heinz Braun † [28.06.2012]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Richard Harvey | ||
1 | Concerto Incantato | 00:28:29 |
Malcolm Arnold | ||
6 | Concerto op. 133 für Blockflöte und Orchester | 00:11:55 |
Gordon Jacob | ||
9 | Suite für Blockflöte und Streicher | 00:18:42 |
Interpreten der Einspielung
- Michala Petri (Blockflöte)
- Jean Thorel (Dirigent)
- City Chamber Orchestra of Hong Kong (Orchester)