Inspiration Hildegard von Bingen Lieder und Visionen
Berlin Classics 0300425BC
1 CD • 58min • 2012
07.01.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zwei wichtige Termine betonten im Mai des just vergangenen Jahres 2012 das Gedächtnis der Hildegard von Bingen: Zunächst wurde die Nonne, deren Verehrung bisher auf den europäischen bzw. deutschsprachigen Raum beschränkt war, in den offiziellen Heiligenkalender der gesamten römisch-katholischen Kirche aufgenommen und – keine drei Wochen später – am Pfingstfest durch Papst Benedikt XVI. zusätzlich mit der Erhebung zur Kirchenlehrerin ausgezeichnet. Sie ist damit die vierte Frau im nunmehr 35 Heilige umfassenden Gremium der von der katholischen Kirche als Kirchenlehrer verehrten Heiligen.
Hildegard von Bingen (1098-1179) hatte, nach eigenem Bericht beginnend mit dem dritten Lebensjahr, Visionen und Auditionen (Erscheinungen, in denen sie Musik hörte). Sie trat noch als Kind in das Kloster Disibodenberg ein, wo sie zunächst in strenger Klausur lebte. Zwischen 1147 und 1150 gründete sie am Zufluss der Nahe in den Rhein das Kloster Rupertsberg, später auf der anderen Rheinseite bei Rüdesheim noch das Kloster Eibingen, das bis auf den heutigen Tag besteht – im Eibinger Hildegardschrein wird heute ihre Reliquie verwahrt.
Hildegard war universal gelehrt und Autorin eines breiten Schrifttums, das über Berichte ihrer Visionen weit hinausging. Dennoch bezeichnete sie sich selbst als ungelehrt (indocta), was vermutlich in erster Linie dadurch begründet ist, dass ihre lateinischen Sprachkenntnisse unzureichend waren und sie die Sprache ihre Schriften durch ihren Schreiber in korrektes Latein bringen ließ.
Umfangreich ist auch Hildegards musikalische Hinterlassenschaft, die in verschiedenen Handschriften – teilweise mit Neumennotation versehen – überliefert ist. Das Ensemble VocaMe präsentiert auf der vorliegenden CD eine Auswahl von dieser Musik; Michael Popp, spiritus rector des Ensembles, schreibt dazu: „Schon zu Beginn meiner Beschäftigung mit Alter Musik fielen die Gesänge Hildegards durch ihre rätselhafte Einzigartigkeit im zeitgenössischen Kontext auf. Weder vorher, noch gleichzeitig, noch in der Nachfolge konnte man Vergleichbares, Vorläufer oder Nachwirkungen, etwa in Form einer ,Hildegard- Schule' feststellen. Wie aus dem Nichts schien diese Musik aufzutauchen und wieder zu verschwinden." Popp hatte sich schon im Rahmen verschiedener anderer Projekte mit Hildegard von Bingen beschääftigt und sucht jetzt mit VocaMe eine neue Annäherung an die Heilige: „Inspirierte Musik wie diese muss mit Inspiration wiederbelebt werden … [da] gerade im Umgang mit Hildegard die intuitive und somit künstlerisch-kreative Annäherung – bei aller Notwendigkeit der neuzeitlichen Analysemethoden – unabdingbar und letztlich ‚authentischer‘ ist als die überwiegend modern ausgerichtete rational erklärende Herangehensweise."
Ähnlich wie bei der ersten CD von VocaMe mit 1200 Jahre alter Musik der Byzantinerin Kassia erreichen Popp und sein Ensemble auch mit der bereits in anderen Interpretationsansätzen vorliegenden Musik der Hildegard von Bingen ein faszinierendes Ergebnis, das die Zuhörer zu einer Zeitreise einlädt, die an Spannung einem heutigen interkulturellen Dialog mit anderen Musiken der Welt in nichts nachsteht.
Detmar Huchting [07.01.2013]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Hildegard von Bingen | ||
1 | Studium Divinitatis I | 00:01:34 |
2 | Spiritus Sanctus | 00:04:48 |
3 | O ignis spiritus paracliti | 00:04:13 |
4 | O virtus Sapientiae | 00:01:29 |
5 | O spectabilis viri | 00:05:12 |
6 | O virga ac diadema | 00:05:33 |
7 | Aer enim volat | 00:02:43 |
8 | Rex noster | 00:04:33 |
9 | Cum processit | 00:02:59 |
10 | O quam mirabilis est | 00:04:02 |
11 | O virga mediatrix | 00:02:28 |
12 | Tu rubes ut aurora | 00:04:35 |
13 | Columba aspexit | 00:05:33 |
14 | O tum illustrata | 00:05:32 |
15 | Studium Divinitatis II | 00:02:33 |
Interpreten der Einspielung
- VocaMe (Ensemble)