BIS 2032
1 CD/SACD stereo/surround • 63min • 2012
20.09.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Unterschiedlicher könnten sie kaum sein, die beiden Sonaten für Violine und Klavier von Sergej Prokofieff – und das liegt nur ganz am Rande daran, dass die sogenannte „zweite Sonate" (die vor der ersten vollendet wurde) im Original eine Flötensonate ist – denn in seiner traumwandlerisch idiomsicheren instrumentatorischen Meisterschaft hat der Komponist erfolgreich Sorge getragen, dass man dies dem Werk überhaupt nicht anmerkt. Nein, die Sonate in f-Moll zählt zu seinen äußerst komplexen, erratisch inspirierten, von herb-düsterem Ernst erfüllten, architektonisch sehr anspruchsvollen Kompositionen, und entsprechend unverstanden bleibt dieses Werk denn, wie so oft, auch hier. Was schon damit beginnt, dass die Phrasierung der oktavierten Eingangsmelodie des Klaviers eher darauf angelegt ist, einen Totenschein ausgestellt zu bekommen, als irgendeine innere Ausrichtung zu erfahren, die über ein dunkel gestimmtes Nacheinander von Tönen hinaus tragen würde. Das ist gar keine Phrasierung, sondern eine schlichte Fehlanzeige, und diese Tatsache ist im Verlauf noch oft zu beklagen. Spieltechnisch betrachtet, agieren beide, die Pianistin Angela Joffe und der sehr bemerkenswerte Geigenvirtuose Vadim Gluzman, auf exzellentem Niveau, wenn man einmal davon absieht, dass der Flügel immer wieder viel zu schnell in einem massiven, nur sich selbst gerechten Forte ankommt, wogegen sich die Geige nur mit zwei Mitteln behaupten kann: Dauerintensität auf Kosten der Flexibilität des Ausdrucks, und sehr gelungene Unterstützung durch eine gekonnte Tontechnik, die versteht, die Dynamik des Schwächeren anzuheben, ohne das Gefühl, es handle sich dabei noch um einigermaßen natürliche akustische Verhältnisse, auffallend zu düpieren. Ein besonderes Kompliment an Tonmeister Martin Nagorni!
Problematisch ist auch, dass sehr häufig dort sehr starke Temposchwankungen auf kleinem Raum inszeniert werden, wo sie die Struktur erheblich stören oder auch weitestgehend aushebeln, so insbesondere im Finale der f-Moll-Sonate mit seinen fortwährenden metrischen Wechseln (5/8, 7/8, 8/8, 6/8 usw.) – hier wird der gesamte vom Komponisten klar geschaffene Kontrast durch derlei Mittel rhythmischer Destabilisierung sofort vernebelt, und die Folge ist eine unfreiwillige Kleinteiligkeit, wo spielerisch fortwährende, zusammenhängende Spannung aufgebaut werden könnte und müsste.
Wie gesagt, all dies stellt nicht im Geringsten in Abrede, dass beide vortreffliche Könner an ihrem Instrument sind, und in der D-Dur-Sonate (der ursprünglichen Flötensonate) mit ihrer klassizistisch inspirierten Faktur und beherrscht heiteren Grundstimmung fallen die Schwächen in der musikalischen Gestaltung weit weniger ins Gewicht, und noch weniger in den drei sehr ansprechend von David Grjunes arrangierten Nummern aus Romeo und Julia: "Die Montagues und die Capulets", "Tanz der Mädchen von den Antillen" und "Masken" – hier ist lediglich im Einleitungssatz wieder festzustellen, dass dem Klavier stellenweise mehr integrierende Zurückhaltung zugunsten des Spielpartners zu empfehlen gewesen wäre. Manches in duftig stimmungsvollen, den Zauber der Nachtluft atmenden Passagen gelingt aber auch wirklich hinreißend.
Christoph Schlüren [20.09.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sergej Prokofjew | ||
1 | Sonate Nr. 1 f-Moll op. 80 für Violine und Klavier | 00:30:03 |
5 | Sonate D-Dur op. 94 für Flöte und Klavier | 00:23:43 |
9 | Montagues and Capulets op. 64 (from: Romeo und Julia-Suite op. 64) | 00:03:43 |
10 | Dance of the Girls with Lilies op. 64 (from: Romeo und Julia-Suite op. 64) | 00:02:21 |
11 | Masks op. 64 (from: Romeo und Julia-Suite op. 64) | 00:01:55 |
Interpreten der Einspielung
- Vadim Gluzman (Violine)
- Angela Yoffe (Klavier)