Johann Nepomuk David Symphonies 1 & 6
cpo 777 741-2
1 CD • 60min • 2011
10.03.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die radikale Linearität, die Johann Nepomuk David auszeichnete, dürfte unvorbereitete Gemüter mit hoher Wahrscheinlichkeit anfangs verblüffen, wenn nicht gar befremden. Bald aber tun sich Regionen auf, in denen die Strenge der Alten Meister und die aktuelle Absage an romantische Schwelgereien eine zeitlose, präzise, (be)zwingende Synthese eingehen, bei der ich mich – in aller Bescheidenheit – an die hinreißende Welt der Holzschnitte und Kupferstiche erinnert fühle: an die großen, apokalyptischen Entwürfe eines Albrecht Dürer etwa, dessen „Ritter, Tod und Teufel“ im Halbdunkel des Andante sostenuto aus der ersten Symphonie mitmarschieren, die Hans Rosbaud 1938 in Münster aus der Taufe hob und die sogleich ob ihrer „großen gedanklichen Tiefe“ erhebliche Erfolge erringen konnte.
Man müsse nicht eigens betonen, meint der Stuttgarter Philologe, Antiquar und Johann-Nepomuk-David-Archivar Bernhard A. Kohl in seinem Begleittext, „dass eine derartige Kompositionsweise vom Hörer eine aktive Beteiligung am musikalischen Geschehen verlangt, ein Hineinhören in die musikalische Faktur; nur dadurch wird es möglich, sich vom tiefen seelischen Gehalt dieser Musik anrühren zu lassen” – ein generell beherzigenswerter Ratschlag, der im gegenwärtigen Falle allerdings besonders befolgt werden sollte, wo die vernehmliche Konzentration aufs Wesentlichste den zentralen Aspekt des kreativen Vorgangs ausmacht: Hier weiß einer aus unscheinbaren Kleinstpartikeln wahre Kettenreaktionen zu entfesseln, die zwar vielleicht die Folge intellektueller Betrachtungen sind, bei ihrer klingenden Konkretisierung dann aber ein solches Maß an sinnlicher Faszination bieten, dass wieder einmal Kenner „satisfaction erhalten – doch so – dass die nichtkenner damit zufrieden sein müssen, ohne zu wissen warum."
Ein gleiches gilt für die sechste Symphonie, die zwischen 1952 und 1966 drei Stadien zu durchlaufen hatte, ehe sie mit einem neuen Finalsatz 1967 in Linz ihre zweite Premiere erlebte. Eine knappe, schlagkräftige, nach den treffenden Worten ihres Schöpfers „festlich rauschende” Ouvertüre von viereinhalb Minuten, die gewiß auch der gleichaltrige Paul Hindemith nicht verschmäht hätte; ein dreiteiliges, umfangreiches, asketisch klares Adagio, das nach rund zwei Dritteln seines Wegs unvermutet in ein betörendes Flirren verfällt, ehe es sich in zwei feinen Strichen auflöst; dann ein intelligent skelettierter und doch eindeutig wienerischer „Wiener Walzer“; und endlich eine kapitale Fuge, die uns indessen die Grenzen des durchschnittlichen Kunstverständnisses aufzeigt: Um die „drei durchaus unterschiedlichen Kernmelodien von graduell verschiedener Wichtigkeit“ zu erkennen, die das Finale durchziehen – da muß man schon eine Kapazität vom Range des (mittlerweile emeritierten) Rudolf Stephan sein, den das Beiheft mit diesem essentiellen Satz im Beiheft zitiert.
Unsereins verstummt ehrfurchtsvoll bei derart schürfenden Expertisen, freut sich aber uneingeschränkt darüber, in dem Verfasser des ansonsten umfassend informierenden Booklets einen Freund der wahren Rechtschreibung gefunden zu haben, und wendet sich lieber wieder der Musik zu, deren plastische, zündende und liebevolle Realisation nach echter Überzeugung klingt und nichts weiter zu wünschen übrig läßt als eine baldige Fortsetzung der Serie, die – wie aus gut unterrichteten Kreisen in Georgsmarienhütte zu hören war – auch schon bald erfolgen soll.
Rasmus van Rijn [10.03.2014]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Nepomuk David | ||
1 | Sinfonie Nr. 1 op. 18 | 00:29:20 |
5 | Sinfonie Nr. 6 op. 46 | 00:30:26 |
Interpreten der Einspielung
- ORF Radio-Symphonieorchester Wien (Orchester)
- Johannes Wildner (Dirigent)