Yongkyu Lee
Thorofon CTH2627
1 CD • 64min • 2015
09.11.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im Begleitheft zur neuen Thorofon-CD des südkoreanischen Pianisten YongKyu Lee finden sich nicht nur biographische und berufsbezogene Daten und Fakten, sondern ein ausführliches Gespräch mit dem Gewinner des Dortmunder Schubert-Wettbewerbs 2003. Hier riskiert Lee einige riskante, zumindest auffällige Ideen und Bewertungen musikalischer Sachverhalte. So erinnert ihn das As-Dur-Impromptu (D 935,2) von Schubert an das Weihnachtslied „O Tannenbaum“. Und im Bereich der klanggewaltigen, üppig virtuosen, für mein Empfinden eher an Rachmaninoffs Klavierpotenz erinnernde Skrjabin-Fantasie (op. 28) registriert der Künstler eine Nachbarschaft zu Chopins h-Moll-Sonate op. 58!! Gleichwohl: es ist interessant, Lees Kommentaren zu den eingespielten Stücken als begleitende Information zu seinen spielerischen Entscheidungen und Leistungen zu lesen und mit dem Gehörten abzugleichen.
Mit dem Klavierschaffen Schuberts weiß Lee umzugehen. Den vier gewählten Impromptus fehlt es im Lyrischen nicht an Wärme, in jenen der Welt zugewandten Momenten auch nicht an Helligkeit – und dies ohne jede Extravaganz hinsichtlich der gewählten Zeitmaße. Auffällig einzig und allein, die eingangs des c-Moll-Impromptus D 899,1 ziemlich trocken, wie ausgestanzten Akkordstrecken. Ihnen fehlt es meiner Ansicht nach deutlich an philharmonischer Fülle, sozusagen an „Bedeutung“, wobei ich nicht ausschließen möchte, dass Lee diese auch im späteren Verlauf wichtige Passage ganz deutlich von den melodischen, den sinnlichen und behaglichen Abschnitten abzusetzen gedenkt. Besonders klar und dennoch geschmeidig gelingen die herabregnenden Akkordzerlegungen des As-Dur-Stückes D 899,1. Ihre elastische Präsenz ist dem verhaltenen Vortragstempo zuzuschreiben ist, ohne dass man Lee ankreiden könnte, mit gleichsam angezogener Handbremse zu spielen.
Fünf Lieder ohne Worte aus fünf verschiedenen Sammlungen zeigen YongKyu Lee als sicheren Deuter und Transporteur der in den betreffenden Stücken beim klingenden und mobilen Namen genannten Inhalte und Charaktere. Alles Vorzüge, die sich auch im finalen Miniatur-Sektor der aufnahmetechnisch zuverlässig definierten, räumlich überzeugend gestalteten Einspielung finden: Ljadows melancholisches, volksliedhaftes Prélude op. 11,1 und Skrjabins Etüde op. 8,4. Von der Etüde spricht Lee als „einem Charakterstück der angenehmen Sorte“ und es gefällt ihm, „sich beim Hören der Miniatur das Flattern eines Schmetterlings vorzustellen“. Ein Exemplar allerdings – ich wage es anzumerken –, das Skrjabin in Zeitlupe, bzw. im Gleitflug abgebildet hat.
Prächtig, ohne jede Ermüdungserscheinung, in den dichten, wollüstigen Akkordbergen jederzeit übersichtlich gelingt Lee die zumeist nur annähernd bewältigte Skrjabin-Fantasie. Da zeigt der einst von Martha Argerich und Alexis Weissenberg mit Wohlwollen bedachte Interpret, wie sinnstiftend er seine Kräfte einzusetzen vermag, wie er imstande ist, sich aus dem ästhetischen Schwitzkasten dieses Werkes gewissermaßen kühlen Kopfes der nächsten Aufgabe zuzuwenden.
Vergleichseinspielungen: Skrjabin – Fantasie op. 28: Shukow (telos Music TLS 035), Berthold (Naxos 8.551073), Albanese (Frame 9931-2), Sevidova (Arte Nova 54457 2), Leonskaja (Teldec 8.44253 ZK), B. Moser (Oehms OC 726), Xiayin Wang (Naxos 8.570412), Szidon (DG LP 2707 058), Neuhaus (Russian Disc RD CD 15004), Novitskaya (Melodya LP CM 03533-4), Ponti (Vox Box LP SVBX 5462), Hamelin (Hyperion CDA 67131/2), Bernd Glemser (Naxos 8.553158),. Rudiakov (audite 68404), Aust-Joan (soundstarton SST 31140), Sofronitzki (24.4.1959 Hänssler DCD PH 15007)
Peter Cossé † [09.11.2015]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Impromptu c-Moll op. 90 Nr. 1 D 899 Nr. 1 | 00:09:52 |
2 | Impromptu No. 1 f minor op. 142 No. 1 D 935 Nr. 1 – Allegro moderato | 00:10:34 |
3 | Impromptu No. 2 A flat major op. 142 No. 2 D 935 Nr. 2 – Allegretto | 00:06:48 |
4 | Impromptu As-Dur op. 90 Nr. 4 D 899 Nr. 4 | 00:08:30 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
5 | Lied ohne Worte E major op. 30 No. 3 – Allegretto non troppo | 00:02:00 |
6 | Lieder ohne Worte E-Dur op. 19 Nr. 1 | 00:03:29 |
7 | Lied ohne Worte f sharp minor op. 67 No. 2 – Allegro leggiero | 00:02:17 |
8 | Lied ohne Worte G major op. 62 No. 1 – Andante espressivo | 00:02:37 |
9 | Lied ohne Worte g minor op. 53 No. 3 – Presto agitato | 00:02:50 |
Anatol Ljadow | ||
10 | Prelude h-Moll op. 11 Nr. 1 | 00:02:52 |
Alexander Scriabin | ||
11 | Fantasy b minor op. 28 – Moderato | 00:09:43 |
12 | Etüde H-Dur op. 8 Nr. 4 | 00:01:45 |
Interpreten der Einspielung
- Yongkyu Lee (Klavier)