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Besprechung CD

Dmitri Shostakovich

Sonatas for Violin and Viola

Genuin GEN 16428

1 CD • 62min • 2015

23.06.2016

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Dimitri Schostakowitschs Sonaten op. 134 und 147 markieren ein Spätwerk voller Konzentration und Verinnerlichung. Die frühere der beiden Sonaten, op. 134, geht auf ein allzu menschliches Kuriosum zurück: Schostakowitsch hatte dem Geiger David Oistrach mit einem Violinkonzert ein Geschenk zum 60. Geburtstag machen wollen, kam aber damit exakt ein Jahr zu früh. Als der große Tag dann endlich da war, legte er schließlich jene Sonate sozusagen nach, die Oistrach zusammen mit dem Pianisten Svjatoslav Richter mit großer Begeisterung uraufführte. Die spätere Sonate op. 147 kommt noch bedeutungsschwerer daher: fertiggestellt drei Monate von Schostakowitschs Tod wurde sie zum musikalischen Testament und Abgesang eines Genies. Reich an musikalischen Belegen für eine persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensende – unter anderem viele Anspielungen auf frühere Werke – ist diese Komposition allemal.

Von der Geschichte zur Gegenwart: Da bilden Mirjam Tschopp, Violine und Viola sowie Riccardo Bovino, Klavier, ein junges, aber längst in der internationalen Musikwelt profiliertes Duo, das sich – gesegnet mit den heute schon regelrecht zum Standard gehörenden Gaben einer vollendeten Instrumentenbeherrschung – in dieses Material hellhörig hineinstürzt. Hinzu kommt: Selten werden diese Werke von ein und demselben Duo ausgeführt, da die Streicherwelt meist sauber in Geigen- und Bratschenfraktion getrennt ist. Da Mirjam Tschopp beide Instrumente gleichberechtigt spielt, erscheinen sie und ihr Partner als „Traumkonstellation“ schlechthin, was auf dieser CD dem Eindruck von großer Nähe dieser beiden Sonaten zueinander auch hörbar zugute kommt.

Wer nun das Attribut „hineinstürzen“ mit ungestüm oder jugendlich-stürmisch um jeden Preis gleichsetzt, wird beim Hören schnell eines besseren belehrt. Viel passender erscheinen Attribute wie hellwach, glasklar, aufgeklärt. Oder: unbestechlich und dabei messerscharf präzise.

Denn genau diese Qualitäten stehen hinter jenen intensiven Spannungszuständen, in denen gerade aus den leisen Registern dieser Kompositionen umso mehr Intensität hervor geht. Mirjam Tschopp und Riccardo Bovino machen das „piano“ zu dem, was es bei Schostakowitsch ist – zu etwas tiefgründigem und lauerndem! Karg und minimalistisch, dabei fast bestürzend eindringlich gestaltet das Duo solche Parts und schafft es mühelos, über lange Zeiträume in enormer dynamischer Feinabstimmung eine bezwingende Dramaturgie aufzubauen. Am Anfang von op. 134 hebt die Violine über eine Zwölftonskala zu beschwörendem Klagegesang an, während das Klavier über lange Strecken einstimmig bleibt. Je weniger Töne, desto eindringlicher – dieses von Schostakowitsch gerade in den letzten Sonaten auf die Spitze getriebene Prinzip, hat dieses Duo tief verinnerlicht. Mirjam Tschopps Violinton ist vibratoarm, elegant und souverän kraftvoll.

Und aus den ganzen unruhigen Ruhezuständen heraus wirken die dynamischen Verdichtungen wie wütende Impulse eines Aufbegehrens. Zupackend und mit unerbittlich treibender rhythmischer Wucht geht es in den schnellen, lauten, extrovertierten Mittelsätzen zu. Faszinierend, wie in vielen rasanten Synkopenparts perkussive Klavierimpulse mit grell aufblitzende Pizzicati verzahnt sind. Langsam-schnell- langsam, diese radikale Umkehrung der „normalen“ Sonatensatzfolge behält im Spiel der beiden eine wohldosierte Symmetrie.

Auf die zweite hier eingespielte Sonate treffen solche Qualitäten nicht minder zu – wenn auch unter den Händen des Tschopp-Bovino-Duos diese „Lebensabschieds“-Sonate noch introvertierter als ihre Vorgängerin beginnt, hörbar innigere Elemente aufblitzen und in der Mitte ein leidenschaftlich tänzerischer Satz nur so vor Lebensbejahung zu strotzen scheint. Aber auch, wenn sich gerade diese letzte Komposition eines Genies mehrmals zu berührend schönen, fragilen Melodien aufschwingt – deren Hinterfragungen, die gerne bis zu grotesken Zerrbildern reichen, lassen nie lange auf sich warten.

In diesem Spätwerk treten Elemente aus der Zwölftonmusik und einer zuweilen sehr direkten Beeinflussung durch Alban Berg ausgesprochen stark zutage. Die Klarheit im Spiel des Duos sorgt dafür, aufregende Reibungspunkte zwischen intellektueller herausfordernder Dodekaphonie und viele emotionaleren Elementen russischer Tonsprache erfahrbar zu machen.

Stefan Pieper [23.06.2016]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Dimitri Schostakowitsch
1Sonate G major op. 134 00:31:34
4Sonate C-Dur op. 147 für Viola und Klavier 00:30:51

Interpreten der Einspielung

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