Brett Dean
Shadow Music
BIS 2194
1 CD/SACD stereo/surround • 66min • 2015
20.08.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Der 1961 geborene Australier Brett Dean gehört für mich fraglos zu den interessantesten und integersten Komponisten unserer Zeit. Als hochkarätiger Bratschenvirtuose kennt er nicht nur Orchester- und Kammermusik aus der Mitte des klingenden Organismus heraus, sondern ist vor allem stets ein konkreter Musiker geblieben – auch dann, wenn die programmatischen Ideen durchaus dazu verführen könnten, den Boden des zusammenhängend Erlebbaren unter den Füßen zu verlieren: Nein, er verliert sich nicht in abstrakten Spekulationen. Jedoch ist seine Musik zugleich immer von etwas Geheimnisvollen durchdrungen und atmet eine tiefe Poesie, sei sie nun friedvoll, beunruhigend, vehement oder humoristisch.
Die vorliegende Zusammenstellung des Swedish Chamber Orchestra unter der Leitung des Komponisten vereinigt kammerorchestrale Werke, die zwischen 2000 und 2013 entstanden sind. Zunächst einmal fällt sofort auf, dass Dean auch als Dirigent für hohe Qualität steht und die Musiker anzuleiten versteht, seine Visionen umzusetzen. Schon das Etüdenfest von 2000 für Streicher und obligates Klavier geht hinsichtlich Vielschichtigkeit der Strukturen und der dramaturgischen Aussage weit über das hinaus, was der banale Titel zu versprechen scheint. Schon hier werden unergründliche Regionen der Psyche erkundet. Die titelgebende, dreisätzige Shadow Music für kleines Orchester von 2002 verblüfft bei aller atmosphärischen Kraft durch die Geschlossenheit der gedanklichen Formung und beschreibt eine Reise ins Unterbewusste, die die intervallischen Affekte teils wie unter einem Vergrößerungsglas erscheinen lässt. Noch weit verfeinerter, subtiler erscheinen die 2005 komponierten fünf Streicher-Interludien Short Stories – es gibt kaum eine poetischere Musik, die heute geschrieben würde. Folgerichtig tritt danach der mittlere Beethoven in grandiosester Entfaltung auf den Plan: Deans 2013 entstandenes Arrangement des Adagio molto e mesto aus dem ersten Rassumovsky-Quartett für Streichorchester mit je einer Flöte und Klarinette. Die beiden Bläser sind mit einer solch erlesen sparsamen Raffinesse eingesetzt, so wunderbar an Knotenpunkten aufleuchtend, dass dem Stück tatsächlich eine spürbare Dimension zuwächst, die wunderlicherweise nicht in Widerspruch zu Beethoven tritt, sondern die tondichterische Komponente in frappierend geschmackssicherer Weise unterstreicht – wozu die sehr feine Aufführung entscheidend beiträgt. Danach folgt als Abschluss Deans 2008 komponierte Beethoven-Hommage Testament, inspiriert vom Heiligenstädter Testament, ursprünglich für 12 Bratschen gesetzt, hier nunmehr als Musik für Orchester. Dean verbindet sich in faszinierender Weise mit dem Großmeister, was ebenso gut willkürliche Collage hätte werden können, gelingt hier trotz aller heftigen Kontraste in einer weitgehend organisch verbundenen Weise. Das Swedish Chamber Orchestra ist auf allen Positionen ausgezeichnet besetzt und agiert unter dem Komponisten mit einem selten anzutreffenden Verständnis für die Strukturen, mit authentischem Atem das Wesentliche erfassend, und die Aufnahmetechnik tut das Übrige, um hier ein wirklich beispielhaftes Dokument neuen Musikschaffens zu präsentieren. Mit jedem Hören fesselnder.
Christoph Schlüren [20.08.2016]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Brett Dean | ||
1 | Etüdenfest für Streicher und obligates Klavier | 00:10:30 |
2 | Shadow music for small orchestra | 00:16:22 |
5 | Short Stories (Five Interludes for string orchestra) | 00:12:07 |
10 | Adagio molto e mesto (aus Streichquartett in F-Dur op. 59 Nr. 1 (Razumovsky) von L.v. Beethoven) | 00:11:37 |
11 | Testament (Music for Orchestra after Testament - Music for twelve violas 2002) | 00:13:56 |
Interpreten der Einspielung
- Magnus Sköld (Klavier ad lib.)
- Swedish Chamber Orchestra Örebro (Orchester)
- Brett Dean (Dirigent)