Felix Draeseke
Quintets opp. 48 & 77 • Scene op. 69

cpo 555 107-2
1 CD • 76min • 2009
17.03.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Immer noch gilt Felix Draeseke, leider, als ein Geheimtipp; dabei gehört der gebürtige Coburger (1835 – 1913) sicherlich zu den versiertesten Komponisten der Spätromantik, vor allem in seiner Beherrschung des Kontrapunkts, wie dieses sehr hörenswerte Album mit reifer Kammermusik anschaulich macht. Vielleicht wirkt die kritische Haltung des jüngeren, doch ungleich erfolgreicheren Kollegen Richard Strauss subkutan noch nach, der Draeseke als „Lisztianer“ einstufte, welcher, ähnlich wie Franz Lachner und Carl Reinecke, in seiner eifrigen Nachfolge „petrefakt“ geworden sei. Damit ist Strauss Draeseke sicherlich nicht voll gerecht geworden.
Aber er hat einen Zug an dessen Komponieren getroffen, den man aus der historischen Distanz auch durchaus positiv sehen kann, nämlich die handwerkliche Souveränität, die durch eine ständig wirkende Erfindungskraft gespeist wird und somit weit über jeden Akademismus hinausgeht. So ist das früheste der hier präsentierten drei Werke, das Hornquintett B-Dur op. 48 von 1888 – da komponierte Strauss gerade den Don Juan – von einer überschäumenden Energieentfaltung geprägt, die in ihrem Überschwang an Robert Schumann erinnert. Da das Horn, das von Georg Pohle überaus klangreich, doch stets sensibel intoniert wird, nicht allzu oft solistisch hervortritt, bekommt das Tutti eine geradezu kammerorchestrale Note. Die drei Streicher und die Pianistin des Solistenensembles Berlin, Birgitta Wollenweber, machen die mitreißende Aufbruchsstimmung dieses beglückenden Stückes voll erfahrbar. Weil die heikle Balance von Streichern und Tasten- bzw. Blasinstrument perfekt gelungen ist, kann der Hörer die kompositorische Meisterschaft Draesekes minutiös verfolgen.
Den Kontrast von kompositorischer Avantgarde, für die Strauss eine Zeitlang repräsentativ war, und einem für die Moderne offenen Konservatismus hat Draeseke im Kopfsatz seines Streichquintetts F-Dur op. 77 programmatisch vorgestellt: Auf eine kühne Einleitung folgt ein gelöster Moderato-Satz; das Scherzo „Sehr schnell und prickelnd“ scheint in seine intrikaten Metrik von Hector Berlioz inspiriert zu sein. Das Breuninger Quartett begeistert mit seinem hoch sinnlichen Spiel, seiner überlegenen Homogenität und dem stets bedeutungshaften, besonders im langsamen Satz auch wunderbar aussingenden Vortrag. Ein natürlich nur ungenügender Ersatz für das nie zu hörende Opernschaffen Felix Draesekes, das eigentlich stolze sechs Titel bereit hielte, ist die Szene für Violine und Klavier op. 69, die auf Material der unaufgeführten Oper Bertran de Born von 1892/94 zurückgeht. Die deklamatorische Freiheit dieses wirkungsvollen Stückes realisieren Matthias Wollong und Birgitta Wollenweber sehr sprechend, ohne es zu versäumen, einen tragfähigen Bogen über die verschiedenen Stationen zu spannen. Möge Draesekes Werk endlich aus seinem Dornröschenschlaf erwachen!
Prof. Michael B. Weiß [17.03.2017]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Felix Draeseke | ||
1 | Quintett op. 77 für 2 Violinen, Viola und 2 Violoncelli | 00:31:47 |
5 | Szene op. 69 für Violine und Klavier | 00:09:18 |
6 | Quintett B-Dur op. 48 für Horn, Violine, Viola, Violoncello und Klavier | 00:34:13 |
Interpreten der Einspielung
- Solistenensemble Berlin (Ensemble)
- Breuninger Quartett (Streichquartett)