Georg Friedrich Händel
Johannes-Passion
cpo 555 173-2
1 CD • 78min • 2017
07.05.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zu Händels Johannespassion fehlen Originalmanuskript, genauer Entstehungszeitpunkt und eine einwandfreie musikwissenschaftliche Zuordnung des Werks zu seinem Schaffen – beispielsweise durch stilistische Kennzeichen. Einzig die Besprechung des Werks durch den Hamburger Musikschriftsteller und Komponisten Johann Mattheson von 1723, der die nach seinen Angaben vor 20 Jahren von einem „weltberühmten Mann“ komponierte Johannespassion einer schonungslosen Kritik unterzieht, dienten dem Händel-Herausgeber Friedrich Chrysander dazu, das in einer anonymen Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin aufgefundene Werk der Feder des jungen (19-jährigen) Händel in seiner Hamburger Zeit zuzuweisen und seine Aufführung auf die Passionszeit 1704 festzulegen. Diese Thesen wurden im 19. Jahrhundert weitgehend akzeptiert, im 20. fleißig bestritten oder verteidigt, ein Ende der Auseinandersetzungen um die Urheberschaft des Werkes ist nicht abzusehen.
Roland Wilson begründet seine Aufführung dieser Johannespassion in britischem Streben nach Ausgleich: „Ob die Passion nun von Händel stammt oder nicht, sie verdient es, häufiger aufgeführt zu werden.“ Ein anderes anonym überliefertes Werk, möglicherweise auch aus der Feder des jungen Händel, ergänzt die Passion: die Choralkantate Ach Herr, mich armen Sünder. Auch hier urteilt Wilson salomonisch: „Die Musik spricht für sich selbst, und wir sollten sie als das würdigen, was sie ist.“
Angesichts zweier so schöner Kompositionen gibt es für den Rezensenten keine Gründe, im Streit der Urheberschaft dieser Musik irgendeine Position zu beziehen, zeigen die Werke doch ohnehin den hohen qualitativen Standard der (mittel)deutschen geistlichen Musik um 1700 auf. Wer’s gemacht hat, ist letztlich egal, aber schön und passend ist die Musik allemal. So sieht das offenbar auch Roland Wilson, denn er wendet als Interpret und Ensembleleiter die Sorgfalt auf die Musik, die ihr angesichts ihrer hohen Qualität gebührt. Dabei inspiriert er die Mitglieder seiner beiden Ensembles, denen er ja seit Jahrzehnten als Leiter verbunden ist, nicht nur zu musikalisch-technischen Höchstleistungen, er führt sie auch zu einer gemeinsamen Einfühlung in diese Musik, die dem heutigen Hörer der Passion die dramatische Intensität des Stücks nahebringt, und bei der Choralkantate eine Einfühlung in die tiefe Frömmigkeit vermittelt.
Detmar Huchting [07.05.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Crüger | ||
1 | Christus, der uns selig macht (Choral) | 00:01:05 |
Georg Friedrich Händel | ||
2 | Johannes-Passion | |
46 | Ach Herr, mich armen Sünder (Choralkantate) | 00:19:55 |
Interpreten der Einspielung
- La Capella Ducale (Chor)
- Musica Fiata (Ensemble)
- Roland Wilson (Dirigent)