Brahms - Dvořák
Tudor 812973017448
2 CD/SACD stereo/surround • 1h 27min • [P] 2018
28.11.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Dieses Album, Beginn einer kleinen Kollektion, die jede der vier Brahms-Symphonien mit einer der reifen Dvořák-Symphonien kombinieren wird, ist schlicht so großartig gelungen, dass ich mich bei der Besprechung auf das Wesentliche beschränken möchte. Jakub Hrůša, gerade mal 37 Jahre alt, ist für mich ohne Zweifel der beste namhafte Dirigent unserer Zeit, seit ich ihn unlängst in München mit dem Symphonie-Orchester des Bayerischen Rndfunks in Josef Suks Asrael-Symphonie hören konnte. Nun also mit ‚seinen‘ Bamberger Symphonikern, die unter ihm aufblühen wie musikalisch höchstens zu Zeiten eines Joseph Keilberth, aber nun auf dem technischen Niveau eines modernen Top-Orchesters. Warum Hrůša die Werkschau mit Brahms’ Vierter und der Symphonie ‚aus der Neuen Welt‘, also den Schlusssteinen des jeweiligen symphonischen Œuvres, beginnt, erläutert er im Booklet im Gespräch mit dem ehemaligen FAZ-Feuilleton-Redakteur Wolfgang Sandner. Hrůšas Bagabung ist so natürlich gereift, dass er vielleicht selbst nicht wirklich verstehen kann, auf welcher Höhe er sich heute schon befindet. Und man kann ihm nur wünschen, dass er die Charakterstärke hat, sich nicht von den Erfolgen, die sich nunmehr unwiderstehlich einstellen, beeindrucken zu lassen.
Seine Aufführungen sind zutiefst durchbalanciert im besten Sinne: Brahms klassisch klar, dabei mit romantischer Flexibilität und stets loderndem musikantischen Feuer und Schwung; Dvořák nie dem Effekt erlegen, aber mit einem Biss, der durch alle Kultur lebenssprühend hindurch blitzt. Alles ist hier unmissverständlich durchgeformt entsprechend der Vision des klarsichtigen Dirigenten, und doch entsteht eben nicht der Eindruck, er habe dies „durchgesetzt“, sondern alles entsteht aus einem Miteinander, für das alle verantwortlich sind. Daher die präzise artikulierte Freude, die aus jedem Moment des Musizierens spricht. Die Streicher agieren hellwach als Ganzes, man spürt keine Tutti-Trägheiten, aber auch keine narzisstische Selbstdarstellung professioneller Bedeutsamkeit. Brahms’ Vierte ist auch im komplex strukturierten Finale von einer sinnfälligen Deutlichkeit und alles verbindenden Korrelationskunst gekennzeichnet, wie ich dies seit langen Jahren von niemandem gehört habe. Und in der ‚Symphonie aus der Neuen Welt‘ ist Hrůša zuhause wie vor ihm sein 2017 verstorbener Mentor Bělohlávek, dem er vielleicht bald als Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie nachfolgen dürfte, sofern er dies will – denn die Spitzenorchester werden sich weltweit um ihn reißen. Natürlich kann man den Sinn der Expositions-Wiederholung im Kopfsatz der Dvořák-Symphonie bezweifeln (ich halte die Repetition nicht für förderlich, um es als zusammenhängende Gesamtgestalt zu erfassen), aber musikwissenschaftlich ist es korrekt, und ein kleines Fragezeichen darf bleiben. Auch das (derzeit) Beste ist nicht perfekt, aber es ist großartig, und auf entsprechend hohem Niveau auch tontechnisch dokumentiert. Wenn die ganze Serie von vier Doppelalben derart gelingt, verspricht dies, ein epochales Ereignis in der Tonträgergeschichte zu werden.
Christoph Schlüren [28.11.2018]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 | 00:41:32 |
Antonín Dvořák | ||
5 | Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 | 00:45:01 |
Interpreten der Einspielung
- Bamberger Symphoniker - Bayerische Staatsphilharmonie (Orchester)
- Jakub Hrůša (Dirigent)