Boris Bloch
Bach Piano Works 8
Ars Produktion ARS 38 508
2 CD • 1h 30min • [P] 2019
13.07.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zwei CDs mit Clavierwerken von J. S. Bach auf dem modernen Flügel - wie konnte mir die Redaktion das nur antun! -, dachte ich beim Erhalt dieser Sendung. Irgendwann musste die vermeintliche Pflichtaufgabe ja erledigt werden und da aufgrund der Hitze sowieso an Schlaf nicht zu denken war, Zähne zusammengebissen und die erste Scheibe dem Player zugeführt. Das Booklet hergenommen – vielleicht würde es mich ja Morpheus‘ Armen – näherbringen und darin Boris Blochs Argumentation pro Hammerklavier studiert.
Mittlerweile vibrierten die Lautsprechermembranen die Toccata ex D f# BWV 912. Der Beginn in Tempo und Dynamik gezügelt; das Allegro transparent, mit klarem, prägnantem Anschlag, meisterhaft phrasiert; die Rezitativabschnitte expressiv mit dem nötigen Rubato; die Gigue-Fuge witzig, klangfarbenreich und mit dem umwerfenden rhythmischen Timing, welches nur Ausnahmekünstlern zu Gebote steht. Restmüdigkeit verflogen, Ohren spitz.
Danach vier Auszüge aus dem Wohltemperierten Clavier mit einer meisterlich abgetönten fis-moll-Fuge BWV 859. B-Dur Partita: „Die klingt doch so, wie Du sie als Jugendlicher – von Dinu Lipatti gespielt – so gern gehabt hast.“ Bei der trotz des durchgehaltenen Mezzopianos in sehr schnellem Tempo gleichzeitig kristallklar und trotzdem gesanglich artikulierten Gigue wurde mir auf einmal klar, was die großen Romantiker neben der Setzkunst an Bach so faszinierte: Verfügt man über die nötige Anschlagsdelikatesse, kann man daraus einen Elfenreigen machen. Im Grave zu Beginn der c-moll-Partita irritiert die „wörtliche“ Ausführung der Punktierungen (16tel, 16tel punktiert, 32tel anstatt 32tel, 16tel punktiert, 32tel), die ungemein sängerische Ausführung überzeugt aber auch in diesem Werk. Die Einspielung der Französischen Suite in Es-Dur ist dadurch bemerkenswert, dass Bloch in den Wiederholungen der Sarabande die Klangerweiterungen des Busoni-Schülers Egon Petri verwendet, was seine Auffassung der einzelnen Sätze als quasi-romantische Charakterstücke unterstreicht. Ein wahres Klangwunder entsteht, wenn Bloch das vermeintlich so simple C-Dur Präludium BWV 846 in einen quecksilbern-magisch schimmernden Spiegel verwandelt und danach in der vertrackten Polyphonie der C-Dur Fuge jeder Stimme ein eigenes Timbre zu geben weiß.
Abschließend drei Konzerte, neben dem Italienischen BWV 971 zwei der seltener zu hörenden Weimarer Bearbeitungen (BWV 972 und 974), man höre nur, wie Bloch die eigentlich öden Akkordbrechungen im Larghetto aus BWV 972 in irisierende Klangflächen verwandelt.
Bloch stellt im Booklet seine persönliche Sicht auf die Werke eloquent dar. Die Aufnahmequalität schwankt zwischen „ordentlich mit leichtem Klirr“ und ausgezeichnet, was daran liegt, dass zur Schande für die Großlabels teilweise auf private Mitschnitte zurückgegriffen werden musste.
Fazit: Ein Bach, ohne jeden Anflug von Cembalo-Imitation, mit bewusstem Einsatz aller farblichen Möglichkeiten des modernen Flügels, rhythmisch präzise mit einer der Phrasierung dienenden Agogik, dadurch unsentimental, aber ungemein poetisch im Stil der „Großen“ des 19. und frühen 20. Jahrhundert Boris Bloch gehört zur absoluten Elite heutiger Klaviervirtuosen und braucht einen Vergleich mit Titanen wie Pletnjew und Hamelin – denen das Blender-Gen ebenfalls abgeht - nicht zu scheuen. Pflichtkauf für alle Pianisten und Liebhaber meisterlichen, unaffektierten Klavierspiels, denen an dieser Stelle auch Blochs phänomenale Rachmaninow- und Liszt-Einspielungen empfohlen seien.
Thomas Baack [13.07.2019]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Toccata D-Dur BWV 912 | 00:13:11 |
2 | Präludium und Fuge Nr. 5 D-Dur BWV 850 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) | 00:03:43 |
4 | Präludium und Fuge Nr. 6 d-Moll BWV 851 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) | 00:03:45 |
6 | Präludium und Fuge Nr. 15 g-Moll BWV 884 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch II BWV 870-893) | 00:03:30 |
8 | Präludium und Fuge Nr. 14 fis-Moll BWV 859 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) | 00:05:14 |
10 | Partita Nr. 1 B-Dur BWV 825 | 00:18:46 |
16 | Partita Nr. 2 c-Moll BWV 826 | 00:19:38 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Französische Suite Nr. 4 Es-Dur BWV 815 | 00:14:53 |
8 | Fantasie und Fuge c-Moll BWV 906 (Fragment) | 00:05:32 |
9 | Präludium und Fuge Nr. 1 C-Dur BWV 846 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) | 00:05:03 |
11 | Präludium und Fuge Nr. 2 c-Moll BWV 847 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) | 00:03:15 |
13 | Präludium und Fuge Nr. 9 E-Dur BWV 854 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) | 00:02:41 |
15 | Präludium und Fuge Nr. 10 e-Moll BWV 855 (aus: Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869) | 00:04:03 |
17 | Concerto D-Dur BWV 972 (nach Antonio Vivaldi RV 230) | 00:08:38 |
20 | Concerto d-Moll BWV 974 (nach Alessandro Marcello) | 00:09:58 |
23 | Italienisches Konzert F-Dur BWV 971 (aus: Clavierübung 2. Teil) | 00:13:21 |
Interpreten der Einspielung
- Boris Bloch (Klavier)