Leo Fall
Die Dollarprinzessin
cpo 777 906-2
2 CD • 2h 02min • 2012
02.09.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Amerika gib Acht, es kracht!“ – vom Clash der Kulturen handelt die 1907 im Theater an der Wien uraufgeführte Operette Die Dollarprinzessin, die bald darauf auch am Broadway Furore machte. Europäer auf der Jagd nach Glück und dem großen Geld mischen die neue Welt auf. Das ist ein Thema auch in der amerikanischen Literatur, etwa in The Europeans (1878) von Henry James oder in den Gesellschaftsromanen von Edith Wharton. Im Libretto der Routiniers Alfred Maria Willner und Fritz Grünbaum wird es in einer betont leichtfertigen, gelegentlich auch albernen Manier abgehandelt. Der Jungunternehmer Fredy Wehrburg verdingt sich als Privatsekretär bei der arroganten Alice, Tochter des Milliardärs John Couder. Dessen Nichte Daisy schnappt sich den verarmten Adligen Hans von Schlick als Reitlehrer und Couder selbst lässt sich die Tingeltangeldiva Olga, die sich als russische Gräfin ausgibt, als Gattin aufdrehen. Die Dollarprinzessinnen, Männer zu „akquirieren“ gewohnt, müssen irgendwann erkennen, dass man mit Geld nicht alles kaufen kann.
Leo Fall gewinnt der insgesamt eher platten Geschichte nicht nur eine Fülle an eingängigen Melodien und Rhythmen ab, sondern erreicht auch - besonders in den Duetten der Paare, die am Ende doch noch zueinander finden - eine in der Operette nur seltene Doppelbödigkeit. Fredy spielt mit Alice frei nach Shakespeare Der Widerspenstigen Zähmung, Hans und Daisy gerieren sich wie Hänsel und Gretel („Wir tanzen Ringelreih’n“). Olga belegt ihre Identität mit einem zünftigen Kosakenlied. Eigentümlicherweise reizt Fall die kulturellen Kontraste musikalisch nicht aus, beschränkt sich auf das, was er am besten beherrscht, nämlich die alten europäischen Tänze - Walzer, Polka, Galopp, Mazurka. Nicht erstaunlich, dass die Partitur später am Broadway durch Kompositionen amerikanischer Komponisten angereichert wurde.
Der Mitschnitt einer konzertanten Aufführung im Münchner Prinzregententheater, die bereits sieben Jahre zurückliegt, füllt nicht nur eine Lücke im Katalog, sondern bereitet auch einiges Hörvergnügen. Die gute Laune, die sie beim damaligen Publikum hervorrief, teilt sich auch heute noch über die Tonkonserve mit. Das Münchner Rundfunkorchester spielt unter Ulf Schirmer mit musikantischem Schwung auf, aber auch einiger Delikatesse (besonders in den Bläsersoli), und rückt die Qualitäten der Partitur ins richtige Licht. Die Sänger sind durchweg mit Gusto bei der Sache, auch wenn die Besetzung in einigen Fällen erstaunt. Der heutige Heldentenor Thomas Mohr, Siegfried im gegenwärtigen Leipziger Ring (ebenfalls unter Schirmer), ist in der Bufforolle des Milliardärs sängerisch unterfordert, klingt auch in den Dialogen zu jugendlich. Christiane Libor, unterdessen als Brünnhilde unterwegs, was sich in Alices Entree mit dem Tippsenchor schon erahnen lässt, findet im Verlauf der Handlung den richtigen lockeren Operetten-Ton und überzeugt durch Stimmqualität. Ihre leichtgewichtigeren Soprankolleginnen Magdalena Hinterdobler als Daisy und Angela Mehling als Olga wissen ihre Rollen ebenfalls genügend zu profilieren. Ferdinand von Bothmer als Sekretär Fredy und Ralf Simon als Reitlehrer Hans versprühen Charme und setzen gelegentliche tenorale Glanzlichter.
Ekkehard Pluta [02.09.2019]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Leo Fall | ||
1 | Die Dollarprinzessin |
Interpreten der Einspielung
- Christiane Libor (Alice, Couders Tocher - Sopran)
- Magdalena Hinterdobler (Daisy Gray, Couders Nichte - Sopran)
- Angela Mehling (Olga Labinska, Chansonette - Sopran)
- Thomas Mohr (John Couder - Tenor)
- Ferdinand von Bothmer (Freddy Wehrburg - Tenor)
- Ralf Simon (Hans Freiherr von Schuck - Tenor)
- Tobias Haaks (Dick, Couders Neffe - Tenor)
- Marko Cilic (Tom, Couders Bruder - Tenor)
- Chor der Musikalischen Komödie Leipzig (Chor)
- Münchner Rundfunkorchester (Orchester)
- Ulf Schirmer (Dirigent)