Felix Draeseke
String Quartets Vol. 1
cpo 555 281-2
1 CD • 58min • 2017
09.12.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Felix Draeseke (1835-1913) – in Coburg in eine protestantische Theologendynastie hineingeboren und Generationsgenosse von Johannes Brahms und Joseph Gabriel Rheinberger – begann seine Karriere nach seinem für ihn eher unbefriedigenden Studium am Leipziger Konservatorium als „Herold“ und „Recke“ der Neudeutschen Schule um Liszt und Wagner. Von diesen Einflüssen legen einerseits die frühe, Hans von Bülow gewidmete Sonata quasi Fantasia cis-moll op. 6, andererseits die als Gegenstück zum Ring auffassbare Christus-Tetralogie opp. 70-73, die strengen Satz mit Leitmotivtechnik und großem Aufführungsapparat kombiniert, Zeugnis ab. Ähnlich wie Rheinberger und im Gegensatz zu Liszt war Draeseke ein begnadeter Kontrapunktiker und darüber hinaus befähigt, lange melodische Bögen zu spannen. Dies beweisen auch die beiden hier eingespielten Streichquartette, die sich im Vergleich zu denen Brahms‘ eher lyrisch-introvertiert geben. Sie folgen in ihrer Viersätzigkeit dem klassischen Aufbau und zeichnen sich dadurch aus, dass alle vier Stimmen gleichermaßen an der thematischen Arbeit beteiligt sind. Die Werke entstanden nach einer längeren Kompositionspause, die durch das Durchfallen einiger hypermodern-neudeutscher Kompositionen ausgelöst wurde, in den 1880er Jahren. In ihrer Gesanglichkeit weisen sie Parallelen zum romantischen Chorsatz auf, trotzdem sind sie, da alle Farbvaleurs des Streicherensembles genutzt werden, klanglich außerordentlich reizvoll, wirken aber nur in einer perfekt abgestimmten Spielweise.
Das mit dieser Aufnahme debütierende – aus Absolventinnen des Salzburger Mozarteums bestehende – Constanze-Quartett (Emiline Pierre, Esther Gutiérrez Redondo, Sandra Garcia Hwung, Marion Platero) löst die anspruchsvolle Aufgabe formidabel. Phrasierungen und Klangvaleurs sind auf das Feinste abgestimmt, der Satz ist jederzeit durchhörbar, ohne dass der Gesamtklang jemals auseinanderfiele. Die wegen der raffinierten Modulationen keinesfalls einfache Intonation ist perfekt. Zwar wäre es durchaus möglich, die Stücke mit mehr spätromantisch-teutonischem Pathos aufzuladen, was aber auf Kosten der wahrlich ergreifenden Schönheit der Werke ginge. Gut also, dass es hier nicht geschieht.
Aufnahmetechnisch wüsste ich nichts zu beanstanden. Der Booklet-Text von Norbert Florian Schuck verdient wegen seiner ausführlichen, wohlrecherchierten biographischen Angaben und den klugen Werkanalysen einen Extra-Stern. Bravo cpo für diese Ersteinspielung!
Fazit: Ein Muss für alle Kammermusikfreunde und Spätromantikgenießer. Professionelle Quartette, die sich an Dvorák, Fauré, Debussy und Ravel sattgespielt haben, sollten überlegen, ob sie eines der Werke nicht ebenfalls in ihr Repertoire aufnehmen. Eindeutige Empfehlung.
Thomas Baack [09.12.2019]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Felix Draeseke | ||
1 | Streichquartett Nr. 1 op. 27 | 00:28:15 |
5 | Streichquartett Nr. 2 op. 35 | 00:29:56 |
Interpreten der Einspielung
- Constanze Quartet (Streichquartett)