Hans Sommer
Lieder Edition • 1

Naxos 8.573827
1 CD • 65min • 2017
19.12.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Bis zu Beginn unseres Jahrhunderts war der zu seiner Zeit sehr erfolgreiche Komponist Hans Sommer (1837-1922) völlig aus dem Gedächtnis der Musikgeschichte entschwunden. Dabei hat er ein reichhaltiges und vielseitiges Œuvre hinterlassen: Etliche Opern, Kammermusik und an die 300 Lieder. Zumindest letztere haben unterdessen die Neugier der Sänger geweckt. Stella Doufexis (Sony), Elisabeth Kulman und Bo Skovhus (Tudor) und Constance Heller (Solo Musica) haben mit Recitals, die ausschließlich Sommer gewidmet sind, gute Pionierarbeit geleistet. Jetzt hat Naxos eine dreiteilige Edition gestartet, die einen beträchtlichen Teil seines Liedschaffens wieder ans Licht bringt.
Beruflicher Umweg
Wer war dieser Hans Sommer? Eigentlich hieß er Hans Zincken und war nach dem Studium der Mathematik viele Jahre Professor in seiner Heimatstadt Braunschweig, schließlich Direktor des dortigen Polytechnikums und ließ sich im Alter von 47 Jahren in den Vorruhestand versetzen, um sich ganz dem Komponieren widmen zu können. Ein Dilettant war er aber ganz und gar nicht. Noch während seiner Studienzeit in Göttingen hatte er Kompositionsunterricht genommen, den er später in Berlin bei Adolf Bernhard Marx fortsetzte. 1884 war er zeitweise Schüler von Franz Liszt. Während all der Jahre hatte er schon eigene Arbeiten veröffentlicht. Als er die Musik zu seinem Hauptberuf machte, sah sich der Generationsgenosse von Johannes Brahms in unmittelbarer Konkurrenz zu Hugo Wolf, Gustav Mahler und Richard Strauss, die vom Alter her hätten seine Söhne sein können. Vor allem mit Strauss verband ihn eine enge Freundschaft. Beide gehörten zu den Mitbegründern der GEMA.
In nachromantischer Tradition
Die zeitgenössische Kritik attestierte Sommer, er habe „Wagner’s Kunstprincip“ auf das Klavierlied übertragen. Davon ist bei den 25 Titeln der ersten Folge dieser Edition (22 davon Ersteinspielungen) nicht viel zu spüren. Sie zeigen weder in harmonischer Hinsicht noch im Klaviersatz innovative Elemente, stehen vielmehr in nachromantischer Tradition und pflegen mitunter einen gefälligen Salonton. Dabei liegen Sommer die humoristischen Petitessen in op. 22 oder in den Rattenfängerliedern op. 4, deren Thema er im vierten Titel von op. 40 noch einmal aufnimmt, am meisten. Letztes Blühen op. 30 ist ambitionierter, aber hinterlässt keinen nachhaltigeren Eindruck. Der Komponist fühlte sich bei Dichtern der zweiten und dritten Garnitur, darin seinem Freund Strauss nicht unähnlich, offenbar am wohlsten, etwa dem damals viel gelesenen Julius Wolff, den sein Kollege Paul Heyse einmal als „Butzenscheibenlyriker“ bezeichnete. In Eichendorffs Waldgespräch, dem er den Titel Lorelei gab, was Verwechslungen mit Heines Gedicht und seinen Vertonungen provoziert, ringt er hörbar um dramatischen Ausdruck, unterliegt aber im Vergleich mit Robert Schumanns Adaption.
Gleichviel: Das völlige Vergessenwerden hat Sommer nicht verdient und die Edition von Naxos ist zu begrüßen, zumal die Lieder in dem Bariton Jochen Kupfer einen vorzüglichen, gestalterisch eloquenten Anwalt finden. Eine überaus geschmeidige lyrische Stimme von dramatischer Expansionskraft und ein intelligentes Eingehen auf die Texte machen das Hören zum Vergnügen. Marcelo Amaral erweist sich als angemessen markanter Begleiter.
Ekkehard Pluta [19.12.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Hans Sommer | ||
1 | Wie soll ich's bergen, wie soll ich's tragen op. 5 Nr. 4 (Minnesang Tannhäuser op. 5) | 00:02:43 |
2 | Offene Arme und pochende Brust op. 5 Nr. 5 | 00:04:12 |
3 | Du zähltest wohl die Regentropfen op. 5 Nr. 8 | 00:02:35 |
4 | Quidproquo op. 22 Nr. 1 | 00:01:31 |
5 | Du op. 22 Nr. 2 | 00:01:16 |
6 | Kleine List op. 4 Nr. 8 (Hunold Singuf, Rattenfängerlieder op. 4) | 00:02:05 |
7 | Waldharfen op. 4 Nr. 15 | 00:03:14 |
8 | Stelldichein op. 4 Nr. 26 | 00:03:36 |
9 | Frühling op. 4 Nr. 29 | 00:01:41 |
10 | Herbst op. 4 Nr. 30 | 00:04:50 |
11 | Weit hinter jenen Bergen op. 30 Nr. 1 (Letztes Blühen op. 30) | 00:01:38 |
12 | Es kommt noch einmal mir zu Sinn op. 30 Nr. 2 | 00:02:25 |
13 | Lass deine Lippen röter blüh'n op. 30 Nr. 3 | 00:02:21 |
14 | Ich möchte mildern den Abschiedsschmerz op. 30 Nr. 4 | 00:02:50 |
15 | Ich habe die ferne Geliebte im Traume geseh'n op. 30 Nr. 5 | 00:01:28 |
16 | Stumme Liebe op. 1 Nr. 1 | 00:03:10 |
17 | J'y pense op. 1 Nr. 2 | 00:01:46 |
18 | Seh' ich deine zarten Füßchen an op. 1 Nr. 3 | 00:02:41 |
19 | Wann zwei sich lieben op. 1 Nr. 4 | 00:03:12 |
20 | Ich wollt', meine Schmerzen ergössen sich op. 1 Nr. 5 | 00:02:41 |
21 | Lorelei op. 7 | 00:03:39 |
22 | Schöne Nacht op. 40 Nr. 1 | 00:02:52 |
23 | Fromm op. 40 Nr. 2 | 00:01:57 |
24 | Albumblatt op. 40 Nr. 3 | 00:01:45 |
25 | Geküsst op. 40 Nr. 4 | 00:01:44 |
Interpreten der Einspielung
- Jochen Kupfer (Bariton)
- Marcelo Amaral (Klavier)