Claudio Monteverdi
Vespro della Beata Vergine
cpo 555 314-2
1 CD • 80min • 2019
24.12.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Recht hat Silke Leopold, die ja eine Monografie Monteverdis verfasst hat, wenn sie im Booklet dieser CD schreibt: Jeder Aufführung der Marienvesper muss eine Reihe von Entscheidungen vorausgehen, die, wie immer man sie auch trifft, individuell und anfechtbar sind, stets aber zu neuem Hören einladen und neue Facetten dieser ungeheuerlichen Musik freilegen.“
„Deutliche Entscheidungen“ und „neue Facetten“ hört man dieser Aufnahme wohl an. Diese Aufnahme von Monteverdis Vespro della beata vergine ist im Anschluss an die Aufführungen einer szenischen Interpretation mit dem Regisseur Calixto Bieito entstanden. Daraus erwächst wohl die auffallende Theatralität, ja Opernnähe dieser Aufnahme. Aber diese Marienvesper ist ja doch ein Marien- und Gotteslob mit allen musikalischen Mitteln, die Monteverdi reichlich zur Verfügung standen. Und Monteverdi wollte damit auch den fürstlich-barocken Papst Paul V. Borghese beeindrucken: Also darf Prunk und Pracht hier schon sein. Nichts ist zu spüren von bloßer nüchterner Musikwissenschaft. Man könnte aber auch meinen, dass der kirchliche Andachtscharakter, der betende Gestus, in den Hintergrund rückt. Aber man kann ja durchaus auch tanzend beten.
„Perfusa gaudio“
Als „perfusa gaudio“ darf man insgesamt diese CD bezeichnen, wie der Tenor in Audi coelum singt, also vor Freude überströmend, affektenüberreich, klangprächtig, temperamentvoll entflammt und von Überwältigungswillen geprägt. Selbst die Cornetti jauchzen lustvoll überschäumend, wie überhaupt das Orchester Il Gusto Barocco ungemein flirrend farbenreich, quirlig und geradezu fröhlich klingt – und selbstverständlich hochvirtuos spielt. Die Bassgruppe tritt selbstbewusst hervor. Bei aller Opulenz herrscht aber große Transparenz: Der jeweilige Cantus firmus ist immer durchhörbar und deutlich herausgestellt.
Die durchgänig herrschende Erregung – selbst die gesungenen Choralmelodien schwirren vor tiefgefühlter Leidenschaft – bewirkt durchweg schwungvolle Tempi: Wo so manche Aufnahmen zwei CDs brauchen, geht hier alles leicht auf eine CD. Der Dirigent Jörg Halubek benötigt beispielsweise für Nisi Dominus nur 4:21 Minuten, wo sogar der für rasche Tempi bekannte John Eliot Gardiner 5:08 braucht. Gerade hier beweist sich aber die Wirksamkeit des gewählten Tempos, Was bei Gardiner wie ein sportliches Punchingball-Spiel wirkt, ist hier rein tänzerisch erregt, fließender und flüssiger.
Auch die Sonata sopra Sancta Maria überrascht mit einem eher tänzerischen denn betendem Gestus, was die kompositorische Virtuosität Monteverdis aber eher noch betont.
Flammend und glühend
Flammend-triumphal beginnt schon der Tenor Jakob Pilgram sein Dominus ad adjuvandum, durchaus männlich dominant und nicht etwa angelisch-ätherisch singen die Engelstenöre ihr Duo-seraphim-Concerto, überhaupt begeistern alle Tenöre mit überbordender Gesangs-Heißblütigkeit, auch die zwei Sopranistinnen glühen in Pulchra es geradezu vor Mitteilungsdrang. Alle Gesangsstimmen sind hoch beweglich, agil und flexibel und lassen – fast – vergessen, dass ein Chor monumentaler wirken würde. Theatralisch raumwirkungsvoll sind auch die Echo-Stellen gestaltet. Da gibt es – außer vielleicht dem Mangel an Andacht – nichts zu mäkeln, nur zu rühmen.
Rainer W. Janka [24.12.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Claudio Monteverdi | ||
1 | Vespro della Beata Vergine (Marienvesper, 1610) | 01:19:54 |
Interpreten der Einspielung
- Alena Dantcheva (Sopran)
- Natasha Schnur (Sopran)
- Andrea Gavagnin (Altus)
- Ophelia Klumpp (Alt)
- Jakob Pilgram (Tenor)
- Michael Römer (Tenor)
- Dávid Szigetvári (Tenor)
- Johannes Weiss (Tenor)
- Lisandro Abadie (Bass)
- Geoffroy Buffière (Bass)
- Il gusto barocco (Orchester)
- Jörg Halubek (Dirigent)