Beethoven
Théo Fouchenneret
la dolce volta LDV 80
1 CD • 66min • 2019
17.02.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Debütiert ein Pianist mit zwei der größten Ikonen der Klavierliteratur, fragt sich der verwöhnte Rezensent, ob das sein muss. Beethovens Hammerklavier-Sonate erfordert nach landläufiger Meinung den „gereiften“ Pianisten ab 50 und die Waldstein-Sonate wurde vielleicht schon zu häufig in Rillen und Pits gebannt. Allerdings stellt sie geradezu eine Visitenkarte dar, die jeder Tastenvirtuose wohl irgendwann abgeben muss, wenn er nicht Hamelin heißt.
Hammerklaviersonate und Athletik
Der 25-jährige Théodore Fouchenneret gibt hingegen in dem im Booklet abgedruckten, ausgesprochen charmanten und intelligenten Interview zu bedenken, dass man das – allein schon aufgrund der Spieldauer ausgesprochen kraftzehrende – Opus 106 besser in jungen Jahren angreift, da dann einem die Physis noch keine Einschränkungen auferlegt. Er nähert sich auf dieser CD durchaus den jüngeren Referenzen von Paul Lewis und Nelson Goerner an. Zwar könnte das Adagio noch ein Mehr an Kantabilität und Zielgerichtetheit in der Gestaltung der Melodiebögen vertragen, jedoch gelingen viele schöne Einzelmomente und die Differenzierung zwischen Melodie und wichtigen Gegenstimmen im dichten, polyphonen Gewebe erscheint auf weite Strecken überzeugend. Ebenfalls wirkt die – quasi improvisando – Einleitung zu Fuge noch zu wenig spontan, was jedoch nur Wenigen – womöglich nur an Neumond-Sonntagen – geschenkt wird. Die äußeren Sätze gelingen hingegen außerordentlich brillant. Dazu trägt einerseits die intellektuelle Kontrolle über das formale Geschehen, andererseits ein ungemein prägnanter, dabei nie unfreiwillig perkussiver Anschlag und ein ausgesprochenes Feingefühl für dessen Differenzierung den Löwenanteil bei. Die polyphone Äquilibristik der teuflischen Fuge in dieser Klarheit darzustellen, ist schlichtweg eine Meisterleistung. An manchen Stellen (4:40‘, 7:50‘) wird erst durch die rasanten Triller deutlich, wie weit dieses Werk in seiner rücksichtlosen Linearität auf Prokofjew und Hindemith vorausweist. Da wundert es nicht, dass die Zeitgenossen Beethoven schlichtweg für wahnsinnig erklärten.
Waldstein-Sonate auf Referenzniveau
Noch besser gelingt die Waldstein-Sonate, wo selbst die heikelsten Triolenpassagen nicht verschwimmen, weil sie wirklich – à la Pletnëw – durchartikuliert sind. Hier lohnt es sich, die allseits hochgepriesene Aufnahme von Igor Levit zum Vergleich heranzuziehen. Wo Levit ein wattiges Gemurmel abliefert, bietet Fouchenneret Kontur, Kantabilität und dynamische Differenzierung. Bereits der Beginn pulst wie ein schnurrender Zwölfzylinder oder ein trockener Techno-Bass, ohne dass dafür die Pianissimo-Vorschrift vernachlässigt würde. Der Seitensatz bleibt im Tempo und muss nicht gefühlig gedrosselt werden. Das Sentiment besorgen Anschlag und Dynamik. Das Rondo-Thema singt über dem gefesselten Triller. Die heiklen Oktavgänge gegen Ende des Finales müssen nicht – was durchaus zulässig wäre – als Glissandi ausgeführt werden, sondern gelingen links wie rechts, ohne das Tempo zurücknehmen zu müssen.
Die Aufnahmetechnik ist sensationell. Ich habe schon lange keinen so brillanten, farbigen und dynamisch weitgespannten Klavierklang mehr gehört. Sehr informativer Booklet-Text, in dem Théo Fouchenneret charmant und kenntnisreich erklärt, warum er gerade mit diesen Werken debütieren wollte.
Fazit: Erfrischende Begegnung mit einem hochtalentierten, das Instrument meisterhaft beherrschenden Pianisten, sensationell aufgenommen und charmant kommentiert. Die Waldstein-Sonate durchaus in der Referenzklasse, die Hammerklavier noch nicht ganz.
Vergleichsaufnahmen: Nelson Goerner, harmonia mundi France; Paul Lewis, harmonia mundi France; Igor Levit, Sony; Michail Pletnëw, Virgin.
Thomas Baack [17.02.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 21 C-Dur op. 53 (Waldstein-Sonate) | 00:24:54 |
4 | Klaviersonate Nr. 29 B-Dur op. 106 (Hammerklaviersonate) | 00:40:59 |
Interpreten der Einspielung
- Théo Fouchenneret (Klavier)