Komponistinnen
Women Composers • Compositrices
Solo Musica SM 378
1 CD • 58min • 2021
19.11.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Komponierende Frauen haben in der Geschichte der Musik nur eine marginale Rolle spielen dürfen und wurden dort, wo sie sich aus der Deckung wagten, rasch wieder verdrängt. Auf dem Gebiet des Kunstlieds haben sich nur einige wenige dauerhaft dem Gedächtnis eingeprägt und auch die mussten hart kämpfen, um überhaupt beachtet zu werden, manche kamen überhaupt erst nach ihrem Tod zu Ehren. Das Schweizer Duo Franziska Heinzen (Sopran) und Benjamin Mead (Klavier) macht also mit seinem zweiten Album „Komponistinnen“, das ausschließlich dem Liedschaffen von Frauen gewidmet ist, sehr neugierig. Nicht weniger als 24 Namen scheinen hier auf, einige davon wie Clara Schumann, Fanny Hensel und Alma Mahler mittlerweile vertraut (Pauline Viardot fehlt merkwürdigerweise), doch die Mehrzahl kaum oder gar nicht bekannt.
Lauter Entdeckungen
Wer sich dieses Album zulegt, erwirbt ein Schatzkästlein voller Überraschungen. 24 Lieder, 24 Stile, durchweg kleine Preziosen – da gibt es nichts Schablonenhaftes und Abgegriffenes, nichts nur Gutgemeintes. Alle Damen von der Romantik bis zur Gegenwart finden, mehr oder weniger ausgeprägt, ihren eigenen Tonfall. Die meisten von ihnen waren selbst ausübende Musikerinnen, vorzugsweise auf dem Klavier. Das hört man manchen Kompositionen an. Die Liszt-Schülerin Ingeborg Bronsart etwa trägt in ihrer Version von Heines Die Loreley (1865) den armen Schiffer in seinem Kahn, der vom Gesang behext am Felsenriff zerschellt, mit dem Flügel spektakulär zu Grabe.
Aber auch die französischen Lieder haben es in sich. Verlaines mehrfach vertontes Gedicht L’heure exquise entfaltet in der Version (1913) von Irène Poldowski (Tochter des polnischen Geigers und Komponisten Henryk Wieniawski) das spezielle musikalische Parfum des Fin de siècle. Exotisches Flair finden wir in Le sommeil de Leïlah (1945) auf einen Text von Leconte de Lisle von Marguerite Roesgen-Champion. Von bizarrem Reiz ist die tänzerisch angelegte Ballade vom Teufel, der Mäuse kocht und an Liebende verfüttert (Le diable dans la nuit), von Henriette Puig-Roget (1935). Im Kontrast dazu stehen die liedhafte Einfachheit und das schlichte Sentiment in Ma première lettre (1893) von Cécile Chaminade. Den Stil eines Cabaret-Chansons nimmt die Engländerin Madeleine Dring, die eine Zeitlang auch Schauspielerin war, in ihrem Song of a Nightclub Proprietess (1976) auf.
Grenzen ausloten
Auch die musikalische Avantgarde kommt in dieser Kollektion nicht zu kurz. Isabel Mundry zerlegt in Hilf mir! (2004) drei Zeilen von Franz Kafka in ihre Einzelteile und Katharina Rosenberger sprengt in dem experimentellen Text Dying is fine) but death (2012) von E. E. Cummings die Grenzen der Stimme und des Instruments. Die Südtirolerin Manuela Kerer vertont mit Nur der seinen leben (2012) einen Tagebuchauszug von Alma Mahler, in dem es um das von ihrem Gatten ausgesprochene Kompositionsverbot geht, als artifiziellen Aufschrei. In Ruth Schonthals bissigem Ehe-Abgesang Die ewige Liebe (1966/67) auf einen eigenen Text wechselt verzerrter Sprechgesang mit expressiver Kantilene. In Écouter et ne rien entendre (1999) lässt die Schweizerin Caroline Charrière die vier Zeilen des Gedichts ohne Begleitung sprechen und versieht sie dann mit einem längeren Klavier-Nachspiel.
Ein solches Programm, das dürfte aus den genannten Beispielen schon klar werden, verlangt der Vortragenden eine sehr große Ausdruckspalette ab. Und die erst seit ein paar Jahren aktive Sängerin Franziska Heinzen verfügt über diese Palette in bewundernswerter Weise. Sie ist in allen Stilen zu Hause und auch dort von hoher Präsenz, wo sie die Ebene des reinen Gesangs verlässt. Mit dem Pianisten Benjamin Mead ist sie offenbar bestens eingespielt, er ist ein wirklicher Partner und sie treten musizierend in einen lebendigen Dialog. Ein Album zum Mehrmals-Hören und zum Verschenken.
Ekkehard Pluta [19.11.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Rebecca Clarke | ||
1 | June Twilight | 00:03:02 |
Régine Wieniawski (Poldowski) | ||
2 | L' Heure exquise | 00:02:20 |
Alma Mahler | ||
3 | Laue Sommernacht (Gustav Falke) | 00:02:04 |
Amy Beach | ||
4 | Ah, Love, But A Day (aus: Three Browning Songs op. 44) | 00:03:00 |
Clara Schumann | ||
5 | Am Strande | 00:02:34 |
Henriëtte Bosmans | ||
6 | Le Regard eternel | 00:03:30 |
Isabel Mundry | ||
7 | Hilf mir! | 00:01:25 |
Marie Jaëll | ||
8 | Le bonheur s'effeuille et passe | 00:02:17 |
Rosy Wertheim | ||
9 | Die Insel der Vergessenheit | 00:03:31 |
Katharina Rosenberger | ||
10 | Dying is fine) but death | 00:01:41 |
Fanny Mendelssohn-Hensel | ||
11 | Warum sind denn die Rosen so blaß? op. 1 Nr. 3 | 00:02:11 |
Juliana Hall | ||
12 | Sleep, mourner, sleep | 00:01:30 |
Henriette Puig-Roget | ||
13 | Le diable dans la nuit | 00:01:24 |
Charlotte Bray | ||
14 | Farewell | 00:01:52 |
Manuela Kerer | ||
15 | Nur der Seinen Leben | 00:03:19 |
Elizabeth Maconchy | ||
16 | Ophelia's Song | 00:02:11 |
Ingeborg Bronsart | ||
17 | Die Loreley | 00:04:09 |
Marguerite Roesgen-Champion | ||
18 | Le sommeil de Leïlah | 00:02:46 |
Madeleine Dring | ||
19 | Song of a Nightclub Proprietress | 00:02:54 |
Ruth Schonthal | ||
20 | Die ewige Liebe | 00:02:37 |
Caroline Charrière | ||
21 | Écouter et ne rien entendre | 00:01:27 |
Josephine Lang | ||
22 | Ob ich manchmal dein gedenke | 00:02:24 |
Cécile Louise Chaminade | ||
23 | Ma première lettre | 00:02:04 |
Germaine Tailleferre | ||
24 | Remembrance (aus: Deux Poèmes de Lord Byron) | 00:01:08 |
Interpreten der Einspielung
- Franziska Heinzen (Sopran)
- Benjamin Mead (Klavier)