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Besprechung CD

Georg Christoph Wagenseil

Six Sonatas for Violin, Cello and Violone

Challenge Classics CC72896

1 CD • 57min • 2020

24.02.2022

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Dass neben der Berliner „Schule der Empfindsamkeit“ um Carl Philipp Emanuel Bach eine solche auch in Wien um den dortigen Hofcembalisten und Klavierlehrer Marie Antoinettes, Georg Christoph Wagenseil (1715-1777) existierte, dürfte nur wenigen Spezialisten bekannt sein. Dessen Schwerpunkt lag zwar ebenfalls auf der Claviermusik, jedoch liebte er es genauso sehr, mit ungewöhnlichen Instrumentenkombinationen zu experimentierten. So kombiniert er in den hier eingespielten Sonaten Violine und Violoncell mit einem Kontrabass und führt das sonst zur Generalbassbegleitung verdammte Cello obligat. Das Ensemble Musica Elegentia spielte diese Werke mit Barockinstrumenten in einem barocken Saal vor Publikum – also in einer authentischen Aufführungssituation – erstmalig ein.

Vielseitiger Komponist

Wagenseil beherrschte sämtliche der im 18. Jahrhundert üblichen Genres: Oper, Messe, Solokonzert (nicht nur für den pianistischen Eigenbedarf, sondern u.a. für Alt-Posaune oder Harfe), Sinfonie (dreisätzig vom Typ der italienischen Opern-Sinfonia). Kammermusik, Clavierwerke. Dass er über Kontakte zum Berliner Kreis verfügte, zeigt, dass 1761 zwei seiner Menuette in die Musikzeitschrift „Musicalisches Allerley“ des Verlegers Friedrich Wilhelm Birnstiel fanden, der vorwiegend Werke des Bach-Kreises herausgab.

Die 6 Sonaten, die kurz nach 1750 entstanden sein dürften, liegen als Manuskript in der Wiener Nationalbibliothek und erschienen 2009 bei Musedita. Dass sie wirklich als Streichtrios konzipiert sind, zeigt sich durch die fehlende Bezifferung der Bass-Stimme. Mit ihrer Dreisätzigkeit und einer Spieldauer von unter 10 Minuten sind sie noch der galanten Sonate verpflichtet. Von besonderer Poesie sind die langsamen Mittelsätze, die in vier Sonaten den breitesten Raum einnehmen. Violine und Cello sind jeweils gleichberechtigte Duopartner, die vom Bass gestützt werden. Dabei fällt auf, dass das Cello relativ hoch notiert ist und somit auf die C- und G-Saite durchweg verzichtet wird. Dies würde durchaus auch die Wiedergabe durch die klassische Streichtrio-Besetzung ermöglichen.

Aufnahme "a presa diretta" in einer Kirche

Das Ensemble Musica Elegentia mit Paola Nervi (Violine), Antonio Coloccia (Violoncello), angeleitet durch seinen Spiritus rector Matteo Cicchitti am Kontrabass, versucht, nicht nur das Klangbild, sondern auch die Spielsituation in einem Saal des 18. Jahrhunderts vor Publikum nachzuvollziehen. Phrasierung und Artikulation sind wirklich elegant. Die Gestaltung ist weitgehend durchdacht. Auch reicht die Dynamikpalette weit. Dass es bei bei der Aufnahme zu Differenzen der Obertonspektren kam und dadurch Intonation und Klangverschmelzung leiden, mag man verschmerzen. Es trübt in der ersten Sonate jedoch einigermaßen den Genuss. Weniger überzeugend ist, dass durchweg auf zusätzliche Verzierungen verzichtet wurde, was der Aufführungspraxis um 1750 widerspricht. Schließlich schrieb C. P. E. Bach 1759 in seinem Vorwort zu den „VI Sonates avec des Reprises Variées“, dass es unabdingbar sei, dass man eine Sache, die sich wiederholt, variiert.

Das Klangbild ist transparent, jedoch zu direkt und dadurch erheblich zu trocken, sodass man jede kleinste Trübung vergrößert wahrnimmt. Matteo Cicchittis Booklet-Text ist außerordentlich detailliert und informativ, verlangt aber englische Sprachkenntnisse.

Fazit: Durchaus interessante, unterhaltsame Divertimenti eines Komponisten, dessen Namen man allerhöchstens aus der Biographie des jungen Mozart kennt und deren Wiederentdeckung unbedingt lohnt. Die Stücke wurden jedoch leider zu direkt aufgenommen, sodass häufig ein Spaltklang entsteht, der bei polyphonen Renaissance-Fantasien durchaus angebracht wäre, allein das „empfindsame“ Repertoire arg ungalant erscheinen lässt.

Thomas Baack [24.02.2022]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Georg Christoph Wagenseil
1Sonate Nr. 1 für Violine, Violoncello und Violone 00:09:04
4Sonate Nr. 2 für Violine, Violoncello und Violone 00:08:57
7Sonate Nr. 3 für Violine, Violoncello und Violone 00:10:37
10Sonate Nr. 4 für Violine, Violoncello und Violone 00:10:03
13Sonate Nr. 5 für Violine, Violoncello und Violone 00:09:21
16Sonate Nr. 6 für Violine, Violoncello und Violone 00:08:38

Interpreten der Einspielung

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