»Transformation«
Schubert – Heucke – Liszt
GWK Records GWK 154
1 CD • 71min • 2020
21.05.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Komponist Stefan Heucke und der Pianist Tobias Haunhorst teilen dasselbe Anliegen: Ihre Musik entsteht als Reaktion auf tiefe innere Prozesse des Daseins, also Prozesse von „Transformation“, wie Tobias Haunhorst seine Debüt-CD betitelt hat und damit den eigenen künstlerischen Willen zur Reflexion bekundet. In diesem Sinne komponierte Stefan Heucke 2015 seine Zweite Klaviersonate op. 79 Nun danket alle Gott, die den Mittelpunkt dieser Aufnahme bildet. Heuckes Sonate, sowie Franz Schuberts Fantasie C-Dur, D 760, die Wandererfantasie und Franz Liszts monumentale h-Moll Sonate, welche hier jeweils Heuckes Komposition umrahmen, wachsen zu einem existenziellen Gesamtprozess zusammen. Erfahrbar wird dies durch Tobias Haunhorsts pianistischer Überzeugungskraft, hinter der ein bestechend flexibles pianistisches Vokabular steht. Aufgeweckt und optimistisch lässt er zu Beginn von Schuberts Fantasie das lyrische Subjekt vorwärts streben. Es geht hinaus in ein Leben voller Höhen und Tiefen, bei dem – nicht zuletzt durch Haunhorsts Akzentuierung – das Licht meist stärker ist als die Schatten. Aber dennoch sind die mit überzeugender Trennschärfe realisierten Stimmungswechsel Argument genug für die Gegensätzlichkeit des Daseins. Eine gewisse Sachlichkeit in Haunhorsts Spiel bewahrt vor zu stark romantisierendem Pathos, stattdessen ist umso mehr der analytische Blick Sache dieses Pianisten.
Die Tonfolge B-A-C-H definiert das Koordinatensystem
Heuckes Sonate macht wie ein nun darauf folgendes Lebensstadium dort weiter, wo das Eröffnungswerk gerade geendet hat. Aber es kommen zunehmend moderne Prozesse ins Spiel. Von Schubert und Liszt lässt sich Heucke hier erklärtermaßen beeinflussen, andererseits legt die Tonfolge B-A-C-H das Koordinatensystem fest. Im Zentrum der Sonate und ungefähr in der Mitte von deren Spieldauer geht es in eine Lektion aufregender Variationen-Kunst hinein. Da behauptet sich der Choral Nun danket alle Gott in raffinierten Prozessen der Verwandlung. Die Erhabenheit der Bach-Melodie bleibt unangetastet, aber sie dialogisiert mit Figurationen und Skalen diesseits und manchmal auch jenseits der Tonalitätsgrenze. Auch hier zeigt sich wieder Haunhorsts bestechende pianistische Klasse. Verblüffend ist allein schon die Koordination, mit der linke und rechte Hand zu völlig eigenständigen Akteuren werden. Bis jetzt schon ist alles groß gedacht in diesem Spannungsbogen, sodass man sich fragt, was man hier noch größer machen kann. Die Antwort auf diese Frage liefert Franz Liszts h-Moll-Sonate, deren Tonvorräte riesige Höhen erklimmen, um wieder hinabzustürzen – immer angetrieben von der elementaren Energie des Lebenslaufes. Aber darin gibt es auch intime Momente und Ruhepole, auf die sich Haunhorst flüssig-reflektiertes Spiel ebenso vorbehaltlos einlässt.
Stefan Pieper [21.05.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Fantasie C-Dur op. 15 D 760 (Wandererfantasie) | 00:21:23 |
Stefan Heucke | ||
2 | Klaviersonate Nr. 2 op. 79 (Nun danket alle Gott) | 00:22:01 |
Franz Liszt | ||
3 | Klaviersonate h-Moll S 178 | 00:27:29 |
Interpreten der Einspielung
- Tobias Haunhorst (Klavier)