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Crepuscolo

Songs by Ottorino Respighi

BIS 2632

1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2021

26.07.2022

Künstlerische Qualität:

Klangqualität:

Gesamteindruck:

In Italien werden seine Opern (u. a. La fiamma, La campana sommersa) gelegentlich noch gespielt, im übrigen Europa ist wenigstens seine Römische Trilogie noch immer fester Bestandteil des Konzertrepertoires. Was für ein vielseitiger und eigenartiger Liedschöpfer Ottorino Respighi (1879-1936) war, haben erst unlängst der Tenor Ian Bostridge und die Pianistin Saskia Giorgini in einer mustergültigen Einspielung (Pentatone PTC 5186 872) unter Beweis gestellt. Das aktuelle, vom BR produzierte und vom schwedischen Label BIS publizierte Album mit Timothy Fallon und Ammiel Bushakevitz ist eine sinnvolle Ergänzung und zugleich ebenbürtige Konkurrenz dazu. Etwa die Hälfte der Titel ist in beiden Aufnahmen identisch.

Literarisch anspruchsvoll

Mit den teilweise zur selben Zeit entstandenen Romanzen eines Francesco Paolo Tosti und den Gelegenheitsarbeiten von Puccini, Leoncavallo und Mascagni haben Respighis als „liriche“ bezeichneten Lieder nicht viel gemein. Sie stellen hohe literarische Ansprüche und streben nach der völligen Verschmelzung von Dichtung und Musik. Dabei ist die Auswahl der Texte ein Spiegel der literarischen Strömungen des Fin de siècle und des frühen 20. Jahrhunderts. Die zunächst politischer Lyrik verpflichtete, später immer mehr zur Innerlichkeit neigende Dichterin Ada Negri (1870-1945), die teilweise von Rilke ins Deutsche übersetzt wurde, gehörte zu Respighis bevorzugten Autor(inn)en. 1896, erst 17jährig, vertonte er deren Gedichte L’ultima ebbrezza und Lagrime, 10 Jahre später Nebbie, wohl sein bekanntester Liedtitel. Der dem Jugendstil nahe stehende Antonio Rubino, der sich später vor allem als Illustrator einen Namen machte, ist der Schöpfer des Zyklus Deità Silvane (Waldgottheiten), der uns in die Welt der Faune und Nymphen entführt. Respighis Vertonung (1917) zeigt Einflüsse von Debussy und den Impressionisten.

Eklektiker im besten Sinne

Anderseits war der von frühester Jugend an mit Musik aufgewachsene Bologneser auch ein Spezialist für „Alte Musik“, lange bevor dieser Begriff gebräuchlich war, und schrieb Bearbeitungen u. a. von Monteverdi, Pergolesi und Rameau. Seine Vorliebe für den „stile antico“ zeigt sich auch in den Cinque canti all’antica, dessen erste drei Lieder auf Texten von Giovanni Boccaccio basieren. Respighi war ein Eklektiker im besten Sinne des Wortes, der von der Renaissance bis zur unmittelbaren Gegenwart alles aufgriff, was für seinen eigenen Musikstil verwertbar war. Dazu gehörte von allem Anfang an auch die Volksmusik, und nicht nur die italienische, wie der spätere Zyklus 4 Scottish Songs (1924) beweist. Das populäre Lied My heart’s in the Highlands gewinnt in der kunstvollen, aber nicht gekünstelten klavieristischen Ummantelung einen zusätzlichen Reiz.

Einfühlsame Interpretationen

In dem amerikanischen Tenor Timothy Fallon und dem aus Israel stammenden Pianisten Ammiel Bushakevitz findet Respighi zwei berufene und imaginative Interpreten. Der Sänger, zuvor schon mit einem Liszt-Album hervorgetreten, gehört zu der heute selten gewordenen Spezies der singenden Poeten, der zwar – wo verlangt – metallisch auftrumpfen kann, aber zugleich ein Meister des subtilen „mezza voce“ ist und die Musik mit der Stimme gleichsam zu „streicheln“ versteht. Der Pianist hat das richtige Gespür für die stilistische Vielfalt in den Kompositionen aus drei Jahrzehnten und ist dem Tenor ein beredter Begleiter.

Ekkehard Pluta [26.07.2022]

Komponisten und Werke der Einspielung

Interpreten der Einspielung

• Timothy Fallon (Bariton)
• Ammiel Bushakevitz (Klavier)