Streichtrios aus Böhmen
Deutschtes Streichtrio
TYXart TXA22168
1 CD • 64min • 2021
14.12.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Was für eine originelle Idee, einmal Streichtrios unterschiedlicher Entstehungszeit, aber ähnlicher geographischer Herkunft zu kombinieren, sodass Wiener Klassik auf klassische Moderne des 20. und 21. Jahrhunderts trifft. Wenn dabei auch noch zwei Weltersteinspielungen herauskommen, umso besser. Somit punktete das Deutsche Streichtrio bereits in der Auswahl der aufgenommenen Werke.
Tonale Divertimenti treffen freitonale Dramen
Die beiden Trios der Haydn-Zeitgenossen Johann Baptist Vanhal (1739-1813) und Václav Pichl (1740-1805) tragen eindeutigen Divertimento-Charakter, sind angenehm anzuhörende, anspruchsvolle Hausmusik für bürgerliche und adlige Soireen. Die Trios werden von den Kompositionen von Bohuslav Martinů (1890-1959) und Roland Leistner-Mayer (Jg.1945) um Saft, Kraft und Drama ergänzt.
Am gewichtigsten erscheint mir das ausgesprochen gelungene neue Trio von Roland Leistner-Mayer, der seine Komponisten-Ausbildung bei Harald Genzmer an der Münchner Musikhochschule erhielt. Wer bei diesem erst vor kurzem entstandenen Werk nach Spuren der Hindemith-Genzmer-Linie sucht, sieht sich enttäuscht. Beim ersten Hören würde man eher an Leos Janáček oder Dmitri Schostakowitsch denken. Das ist leidenschaftlich und keinesfalls bauhausmäßig sachlich. Melancholisch-düster-brütende, dabei oft hochdramatische Abschnitte mit wilden Tremoli wechseln mit bodenständigen Tanzrhythmen. Darüber hinaus ist der Komponist in der Lage, sowohl knappe Gesten wie auch langgezogene Melodien überzeugend zu formulieren. So entsteht eine spannende Erzählung, deren Wendungen man gerne folgt. Wenn etwas gut und durchdacht ist, das Handwerk beherrscht wird, muss es für mich nicht unbedingt „neu“ sein, um mich zu fesseln.
Interpretation auf hohem Niveau
Die drei Professoren der Münchner Musikhochschule Ingolf Turban (Vl.), Jürgen Weber (Va.) und Reiner Ginzel (Vc.) interpretieren die vier Werke ausgesprochen stilsicher und virtuos. Allerdings fällt ihnen das vibratoarme, quasi barockisierende Spiel bei Vanhal und Pichl nicht ganz leicht, sodass sich leichte Intonationstrübungen bei Parallelführungen in Terzen und Sexten nicht völlig überhören lassen. Dies wird allerdings durch die elegante Artikulation und Phrasierung durchaus wettgemacht. Bei den beiden „modernen“ Werken verschmelzen sie zu einem Organismus und musizieren spannungsvoll, mit tollem Timing in den Martinů-Kadenzen sowie weiter Dynamik, virtuos und überzeugend.
Die Aufnahmetechnik vermittelt ein transparentes und überzeugendes Klangbild. Peter Wittrich steuerte hervorragende Hörhilfen für das Booklet bei.
Fazit: Interessantes Repertoire! Die Trios von Pichl und Vanhal sollten sich Amateur-Trios einmal genauer anhören. Für Profis ist das Werk von Leistner-Mayer eine klare Bereicherung.
Thomas Baack [14.12.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Baptist Vanhal | ||
1 | Divertimento G-Dur W VIb:13 | 00:13:50 |
Roland Leistner-Mayer | ||
6 | Streichtrio Nr. 3 op. 158 | 00:24:06 |
Václav Pichl | ||
10 | Streichtrio Nr. 3 B-Dur | 00:09:09 |
Bohuslav Martinů | ||
13 | Streichtrio Nr. 2 H 238 | 00:16:30 |
Interpreten der Einspielung
- Deutsches Streichtrio (Ensemble)