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Besprechung CD

The Courts of Turin and London

cpo 555 497-2

1 CD • 75min • 2021

13.03.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die Musik der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stand in der Tradition des vergangenen, musikalisch überaus reichen 17. Jahrhunderts und ebenso im Zeichen eines musikalischen Aufbruchs in eine neue Zeit, für die der jüngste Sohn Johann Sebastan Bachs, Johann Christian Bach (1732-1782), emblematisch steht. Als Kind und Jugendlicher vom Vater ausgebildet, war er in allen Aspekten der althergebrachten Kunst der Komposition unterwiesen und passte sich mit diesem reichen Fundament der neuen musikalischen Sprache seiner Generation an: Er wurde ein wegweisender Komponist des von Italien bestimmten zukunftsweisenden Stils seines Jahrhunderts – so sehr, dass sein Bruder Carl Philip Emmanuel als Vertreter der älteren, in Deutschland wirkenden Komponistengeneration des musikalischen Aufbruchs im 18. Jahrhundert, sich zu dem Urteil hinreißen ließ: „Hinter meines Bruders … Komposition ist nichts!“: Seine Musik falle zwar ins Ohr und fülle es aus, aber das Herz lasse sie leer. Dieses Diktum zeigt, in welch breites Spektrum sich die Musik im 18. Jahrhundert entfaltete, als sie sich von jahrhundertealten Traditionen emanzipierte.

Galante Musik: Die neue Unterhaltungsmusik

Die Zukunft war freilich nicht aufzuhalten: Neben der Musik des Bach-Sohnes, hinter dessen Komposition angeblich „nichts“ war (auch wenn die Nachwelt ihn mit den Namen seiner Hauptwirkungsstätten als „Mailänder“- bzw. „Londoner“-Bach auszeichnete), erklingen hier Werke eines bisher unbekannt gebliebenen Komponisten der Vorklassik: Felice Giardini (1716-1796) – aus Turin gebürtig und während seines Londoner Wirkens von den 1750er bis in die 1780er Jahre zunächst angeblich ein naher Freund J. C. Bachs; seine Mitwirkung an den berühmten Bach-Abel Konzerten ist jedenfalls bezeugt. In den 1780er Jahren sank sein Stern, 1796 ist er verarmt in Moskau gestorben.

Verbundene Metropolen

Seit dem Gewinn des Königreichs Sardinien im Jahr 1720 nannte sich der Herzog von Savoyen „König von Sardinien“, regierte seinen Staat allerdings weiterhin von seiner Hauptstadt Turin aus, das damit unter die europäischen Königsresidenzen aufstieg. England war für den Herzog von Savoyen ein wichtiger Trittbretthalter auf den Königsthron gewesen, und so waren die Beziehungen zwischen Turin und London eng, zumal Turin eine erstklassige Akademie besaß, an die es viele junge europäische Adlige zog, insbesondere Briten. Auf der anderen Seite suchten etliche piemontesische Absolventen der Turiner Akademie auf den Spuren ihrer englischen Kommilitonen später in London ihr berufliches Glück. So hatte sich auch Felice Giardini in die britische Hauptstadt aufgemacht und dort seinen Erfolg gesucht und gefunden, solange seine Musik auf der Höhe ihrer Zeit war. Anders als sein jüngerer Kollege Joseph Haydn verpasste Giardini allerdings den Anschluss vom galanten Stil an den Ende des 18. Jahrhunderts vorherrschenden klassischen Stil, sodass seine Musik allmählich aus der Zeit fiel.

Berufene Interpreten

1991 entstand in Turin das Ensemble L’Astrée, deren Mitglieder sich neben der Pflege spätbarocker Kammermusik besonders das gar zu oft vergessene musikalische Erbe ihrer piemontesischen Heimat auf die Fahnen geschrieben haben. In den Interpretationen sowohl der Quintette Johann Christian Bachs, die manchem noch aus vorherigen Einspielungen bekannt sein mögen, wie auch der bisher unbekannten Werke ihres Landsmannes Felice Giardini verweisen die Musiker mit Recht auf die Grundlage beider Komponisten im Spätbarock, die trotz der leichthändigen Eleganz ihres galanten Stils immer noch erkennbar ist und später zum Heraufdämmern der neuen musikalischen Horizonte des klassischen Stils nicht mehr passen wollte.

L’Astrée gelingt es vorzüglich, neben der hohen Qualität der hier vereinten Kompositionen auch das Intermediäre der vorklassischen Epoche Johann Christian Bachs und eben auch Felice Giardinis zu gestalten: Dadurch gewinnen die Werke dieser CD eine stilistische Sonderstellung, die für heutige Zuhörer den Reiz einer Musik zwischen den Zeiten vermittelt und dank ihrer exzellenten Gestaltung unmittelbaren Musikgenuss verspricht.

Detmar Huchting [13.03.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Felice Giardini
1Quartett F-Dur op. 23 Nr. 6 für Oboe, Violine, Viola und Violoncello 00:15:57
Johann Christian Bach
4Quintett op. 22 Nr. 1 für Flöte, Oboe, Violine, Violoncello und Cembalo 00:20:50
Felice Giardini
7Quartett C-Dur op. 21 Nr. 6 für Violine, Viola, Violoncello und Cembalo 00:14:22
10Quartett F-Dur op. 21 Nr. 1 für Violine, Viola, Violoncello und Cembalo 00:10:48
Johann Christian Bach
13Quintett D-Dur op. 11 Nr. 6 für Flöte, Oboe, Violine, Viola und B.c. 00:12:42

Interpreten der Einspielung

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