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Besprechung CD

Father and Son

J.S. Bach | C.P.E.Bach

Challenge Classics CC772952

1 CD • 76min • 2022

15.06.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Bach auf dem modernen Konzertflügel – das ist nicht unbedingt das, was sich ein der historisch informierten Musizierpraxis verbunder Liebhaber von Claviermusik von J. S. Bach und seinen Söhnen wünscht – das Instrument seiner Wahl dürfte ein Cembalo oder Hammerklavier/Fortepiano sein. Dennoch sind aus heutiger Sicht Vater Johann Sebastian und der Sohn Carl Philipp Emanuel Bach ein ideales Paar, um anhand ihrer Kompositionen den fundamentalen Wechsel innerhalb der Klaviermusik während nur zwei Generationen im Lauf der ersten beiden Drittel des 18. Jahrhunderts darzustellen.

Auf die Solistin wird noch später einzugehen sein; zunächst muss ein besonderes Lob dem Instrument gelten, auf dem sie ihre Einspielung vorgenommen hat: Der Flügel aus der Werkstatt des Belgiers Chris Maene zeichnet sich durch eine gerade Bespannung der Saiten aus, wo heutige Flügel die Kreuzbespannung ausweisen, bei der die oberen und unteren Lagen der Töne kreuzweise übereinander angeordnet sind. Klangliche Interferenzen der kreuzweise mit den mittleren und tiefen Lagen über dem Resonanzboden angeordneten oberen Lagen konnten also bei Chris Maenes gerade bespanntem Konzertflügel vermieden werden. Die bei der dabei erforderlichen Länge des Instruments immensen Zugkräfte, die nach Auskunft der Firma Maene bis zu 20 Tonnen reichen und die im 19. Jahrhundert der historische Grund für die kreuzweise Bespannung der Flügel waren, konnten durch eine besondere Konstruktion des Rahmens gemeistert werden. So erweist sich Chris Maene, der auch als Erbauer getreuer Kopien historischer Tasteninstrumente internationalen Ruhm gewonnen hat, hier als klavierbauerischer Erneuerer von hohen Graden.

Vater hochbegabter Söhne

Vier Söhne Johann Sebastian Bachs wurden berühmte Komponisten und geben in ihrer Verschiedenheit ein gutes Bild von der Weite der musikalischen Landschaft ab, in der sich Deutschland etwa von der Mitte des 18. Jahrhunderts einer neuen Musik zuwandte. Hier wurden die Grundlagen für die umfangreiche Neuorientierung der Ästhetik im letzten Drittel des 18. und anfangs des 19. Jahrhunderts gelegt. Wilhelm Friedemann (1710-1784) war der erklärte Liebling des Vaters, sein durch eine komplizierte Persönlichkeit gelegentlich schwieriger Lebenslauf ändert nichts an dem hohen Rang seiner Kompositionen, denen neuerdings wieder Wertschätzung erwiesen wird. Auch die beiden bedeutend jüngeren Brüder wurden berühmt: Johann Christoph Friedrich (1732-1795) als „Bückeburger Bach“ und Johann Christian (1735-1782) als „Mailänder“ bzw. „Londoner Bach“.

J. S. und C.Ph.E. Bach – kein konfliktfreies Verhältnis

Carl Philipp Emanuel (1714-1788) – beziehungsweise die Beziehung zwischen ihm und seinem Vater – ist Thema der vorliegenden CD,.J. S. Bach selbst äußerte sich negativ über seinen zweiten Sohn: „’S ist Berlinerblau! ’S verschießt!“. Dennoch wurde C. Ph. E. Bach mit seinem höchst eigenwilligen Stil in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Inbegriff seines Familiennamens: Wenn jemand von „Bach“ sprach, war er, der „Berliner“ bzw. „Hamburger Bach“ gemeint.

Clavieristische Meisterstücke des Vaters als junger Mann

Heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis zufolge schuf J. S. Bach seine Englischen Suiten BWV 806-811 um das Jahr 1715, also mit ungefähr dreißig Jahren. Die Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903 entstand nur wenige Jahre später, vermutlich zwischen 1717 und 1723 während seiner Wirkungszeit in Köthen. Beide Werke dürfte der 1714 in Weimar zur Welt gekommene Carl Philipp Emanuel als Kind und Heranwachsender gehört haben – es ist kaum vorstellbar, dass diese einzigartige Kompositionen von J. S. Bach das Schicksal von Schubladenkompositionen erlitten und während der Zeit ihrer Enstehung nicht im Haus ihres Komponisten erklungen sind.

C.Ph.E. Bach – Schöpfer eines neuen Klavierstils

Schon in seiner Jugendzeit in Leipzig zeichnete sich Carl Philipp Emanuel Bach als ausgezeichneter Cembalist aus, sein Ruf als Solist minderte sich auch während seines Jurastudiums in Leipzig und Frankfurt/Oder nicht, sodass ihn Kronprinz Friedrich von Preußen, der nachmalige König Friedrich II., ihn 1738 direkt von der Studienbank als Kammercembalisten an seinen kronprinzlichen Hof nach Rheinsberg engagierte und ihn nach seinem Regierungsantritt 1740 auch an seinen Hof nach Berlin bzw. Potsdam verpflichtete. Durch seinen höchst persönlichen Stil in der Klaviermusik wurde Carl Philipp Emanuel Bach neben seiner bahnbrechenden Wirksamkeit als Komponist von Werken der oratorischen Musik, von Sinfonien und von Instrumentalkonzerten auch ein maßgeblicher Meister der Klaviermusik, dessen Einfluss bis zu den Klavierwerken Beethovens reichte.

Bemerkenswerte Einfühlungsgabe

Die Pianistin Einav Yarden erweist sich hier in mehrerer Hinsicht als berufene Interpretin: Auf Chris Maenes einzigartigem, aber auch unerbittlichem Flügel, der aufgrund seiner klanglichen Reinheit auch nicht das kleinste technische oder musikalische Ungleichgewicht verzeiht, nötigt ihre außerordentliche pianistische Meisterschaft dem Zuhörer Respekt und Bewunderung ab: Der Künstlerin gelingt so eine Darstellung, die sowohl die Musik des Vaters wie auch die des Sohnes mit der jeweils eigenen Stringenz aufscheinen lässt.

Eine den außerordentlichen Leistungen der Interpretin absolut angemessene Tontechnik vermehrt noch das Hörvergnügen beim Genuss dieser vorzüglichen Einspielung.

Detmar Huchting [15.06.2023]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Carl Philipp Emanuel Bach
1Rondo c-Moll Wq 59/4 00:04:22
2Rondo Nr. 2 G-Dur Wq 57/3 00:04:12
3Fantasie Es-Dur Wq 58 Nr. 6 00:05:53
Johann Sebastian Bach
4Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll BWV 903 00:11:17
Carl Philipp Emanuel Bach
6Preußische Sonate Nr. 2 B-Dur Wq 48/2 00:11:15
9Fantasia C-Dur Wq 61/6 00:05:31
10Sonate D-Dur Wq 61/2 00:05:07
Johann Sebastian Bach
13Englische Suite Nr. 2 a-Moll BWV 807 00:20:31
Carl Philipp Emanuel Bach
19Arioso F-Dur Wq 118/4 H 54 00:07:35

Interpreten der Einspielung

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