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Besprechung CD

Bach

Goldberg Variations
Oliver Schnyder piano

Prospero Classical PROSP0038

1 CD • 75min • 2022

05.09.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Nicht wenigen Musikern gab die Verurteilung zur Untätigkeit im Konzertbetrieb während der Corona-Lockdowns die Chance, sich mit einer Intensität der Einstudierung geliebter Werke zu widmen, wie sie unter normalen Umständen schon rein zeitlich gar nicht möglich gewesen wäre. Ein Produkt solch inspirierender Versenkung ist die Neuaufnahme von Bachs Goldberg-Variationen des schweizerischen Pianisten Oliver Schnyder (Jahrgang 1973) – und das Ergebnis darf in jeder Hinsicht als grandios bezeichnet werden.

Abwechslungsreiche Verzierungskunst vom Feinsten

Schnyders Namen kennt man in Deutschland zu Unrecht noch nicht flächendeckend; in seiner Heimat ist er längst ein Starpianist. Der Schüler u.a. von Homero Francesch, Leon Fleisher und Ruth Laredo hat etwa für Sony alle Beethoven-Klavierkonzerte eingespielt, und die Goldberg-Variationen sind keineswegs die erste Veröffentlichung beim für sorgfältig produzierte Debüt-Aufnahmen gelobten Prospero-Label. Schon die Gestaltung der Aria lässt sofort aufhorchen: Schnyder beachtet nicht nur Bachs notierte Verzierungen extrem aufmerksam und wählt im jeweiligen Kontext absolut stimmige Versionen. Bei Wiederholungen – die Schnyder nicht bei allen der dreißig „Veränderungen“ spielt – variiert er diese, ohne je aufdringlich zu wirken, immer völlig faszinierend. Und das gelingt ihm sogar bei schnelleren Variationen, wo anderen Pianisten an Verzierungskunst kaum noch etwas einfällt. Nimmt Schnyder die Aria sehr ruhig, ähnlich wie Glenn Gould in seiner zweiten Aufnahme, gönnt er den tatsächlich virtuosen Variationen durchaus selbstbewusstes Auftrumpfen, gerät jedoch im Gegensatz zum genialen Kanadier nie ins mechanisch trockene Herunterspulen.

Innig, aber nicht romantisch

2016 hatte die junge Italienerin Beatrice Rana mit ihrer Aufnahme für den Rezensenten Gould als quasi Referenz abgelöst: In allen großen Konzertsälen trug sie dieses Meisterwerk ebenso mit einem Höchstmaß an Tiefgang, differenzierter Anschlagskultur, Fantasie und Virtuosität vor, verfolgte dabei allerdings einen insgesamt sehr romantischen Ansatz. Oliver Schnyder agiert klanglich und dynamisch gleichermaßen schön, nicht so extrem nuanciert, versteht es dafür besser, durchgängig die Bedeutung des Basses als eigentliche Basis des Variationszyklus herauszustellen. Die kontrapunktischen Kunstgriffe Bachs erscheinen dadurch umso klarer. Pianistisch ist das selbstverständlich alles tadellos. Gerade die Charaktervariationen – etwa die französische Ouverture (Variatio 16) – wirken noch profilierter als bei Rana oder Gould. Die große Adagio-Variation (Nr. 25) überzeugt mit ehrlicher Innigkeit, ohne zu romantisieren.

Rhythmisch pointiert und mit klarer Teleologie

Auch rhythmisch setzt Schnyder stellenweise neue Maßstäbe: Nicht nur beachtet er völlig natürlich in Variation 26 das entgegen barocker Tradition echte „sechs gegen vier“ – daher notiert Bach hier zwei verschiedene Taktarten. Andere Variationen gestaltet er überraschend flexibel, so die überwältigende Variation 29. Das Quodlibet weist schon auf den nahenden Schluss hin und die Wiederkehr der Aria – dort ohne Wiederholungen – erscheint irgendwie verwandelt, obwohl eigentlich nur bewusst leiser vorgetragen. Der gewählte Bösendorfer-Flügel als idealer Partner wird aufnahmetechnisch optimal eingefangen; aufschlussreich zudem das Interview mit dem Interpreten im Booklet. Die 75-minütige Darbietung ist ein Hort wahrer Freude und gehört ganz sicher zu den allerbesten Aufnahmen der Goldberg-Variationen – nicht nur der letzten Jahre. Sie sei somit allen Hörern nachdrücklich ans Herz gelegt.

Vergleichsaufnahmen: Beatrice Rana (Warner Classics 0190295880187, 2016), Lars Vogt (Ondine ODE 1273-2, 2014), Evgeni Koroliov (Hänssler 92.112, 1999), João Carlos Martins (Concord 42023, 1996), Glenn Gould (Sony SMK 52 619, 1981).

Martin Blaumeiser [05.09.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Goldberg-Variationen BWV 988 01:14:41

Interpreten der Einspielung

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