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Besprechung CD

Carl Maria von Weber

The Clarinet As Prima Donna

Evil Penguin Classic EPRC 0053

1 CD • 66min • 2022

17.11.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Natürlich wird Carl Maria von Weber seit eh und je in erster Linie als Opernkomponist wahrgenommen, obwohl sein Instrumentalmusikschaffen schon rein zahlenmäßig gar nicht einmal besonders knapp bemessen ist. Zwei Instrumente spielen darin eine besonders prominente Rolle: zunächst einmal das Klavier (als sein eigenes Instrument) und dann die Klarinette, initiiert und inspiriert durch Webers Bekanntschaft mit Heinrich Joseph Baermann, einem der prägendsten Klarinettisten jener Zeit. Roeland Hendrikx, bis vor wenigen Jahren Soloklarinettist des Belgischen Nationalorchesters, hat bereits eine CD mit Webers Kammermusik für Klarinette herausgebracht, der nun auf dem vorliegenden neuen Album seine Lesart der beiden Konzerte (bei denen es sich natürlich um Fixpunkte des Klarinettenrepertoires handelt) folgt. Interessanterweise wird die CD nicht etwa durch Webers Concertino op. 26 ergänzt, sondern durch zwei Bearbeitungen, eine davon offenbar speziell für diese CD entstanden.

Große Wandlungsfähigkeit und Sensibilität

Hendrikx verfügt über einen eher schlanken, dabei grundsätzlich weich timbrierten Ton, auf dessen Basis er den Partituren eine Vielzahl von Facetten entlockt. Webers Musik ist reich an Charakter, verrät auch hier immer wieder (und nicht nur da, wo es wie im 2. Satz des 2. Konzerts besonders offensichtlich ist) den Opernkomponisten. Dieser Reichtum an musikalischen Situationen von langen kantablen Linien über dramatisch akzentuierter „Klangrede“ bis hin zum überschäumenden Scherzando (etwa in den Finalsätzen) wird von Hendrix mit großer Wandlungsfähigkeit und Sensibilität dargestellt, nicht zuletzt unterstützt und realisiert durch eine souveräne und sorgfältig durchdachte Artikulation und Phrasierung. Die Klarinette „als Primadonna“ zu betrachten, wie das Album betitelt ist, bedeutet für Hendrikx allerdings keinesfalls ein Übermaß an Theatralik – ganz im Gegenteil begegnet er dem „Szenischen“ dieser Musik stets mit Augenmaß, mit Sinn für die rechte Dosis. Man beachte etwa seine feine, klug abgestimmte Agogik: kleinen Ritardandi, kurzen Momenten des Zögerns oder Schwungnehmens wird man immer wieder begegnen, nie aber schlägt dies in Pathos um. Es sind Interpretation, die die Extreme meiden, übrigens auch in der Wahl der Tempi.

Zwei gelungene Arrangements

Zwischen den beiden Konzerten befindet sich als Novität ein Arrangement der Arie der Agathe Leise, leise, fromme Weise aus dem Freischütz, von Andreas N. Tarkmann relativ frei zu einer Art kleinem Konzertstück für Klarinette und Streicher umgearbeitet; eine attraktive, den Stil der beiden Konzerte gekonnt aufgreifende Bearbeitung. Beschlossen wird die CD mit Webers Variationen über ein Thema aus der Oper Silvana op. 33 (nach einer Arie, die Weber letztlich aus der Oper strich), eigentlich für Klarinette und Klavier, die hier in einer abermals gelungenen, idiomatischen Orchestrierung von Rainer Schottstädt erklingen. Ein leichteres, gefälligeres Werk, bewusst nicht vom gleichen Kaliber wie die Konzerte, aber allemal unterhaltsame Musik. Begleitet wird Hendrikx vom insgesamt sehr solide aufspielenden Staatsorchester Rheinische Philharmonie unter der Leitung von Michael Tilkin. Was das Orchester betrifft, erscheint das 2. Konzert besonders gut geraten. Im Finale des 1. Konzert wäre z. T. noch etwas mehr Esprit möglich, so könnten die Scherzando-Passagen der Klarinette ab Ziffer B im Orchester aktiver mitgestaltet werden (wie es etwa in Martin Frösts allerdings etwas hastiger Aufnahme mit der Tapiola-Sinfonietta mustergültig geschieht). Gelegentliche Wackler im Zusammenspiel mit dem Solisten fallen u.a. in der siebten und letzten Silvana-Variation auf (hier zwischen Hörnern und Soloklarinette).

Vorzügliche Werke in sehr guten Interpretationen

Bei der Gestaltung des Soloparts hat Weber Baermann eine ganze Reihe von Freiheiten eingeräumt, die dieser in Form von Varianten und Ausgestaltung von Artikulation, Verzierungen und Rhythmik sowie einer kleinen Kadenz genutzt hat. Das meiste davon greift Hendrikx in seiner Einspielung auf; außerdem hat Tarkmann den von ihm als ungelenk empfundenen Übergang zum d-moll-Couplet im Finale des 1. Konzerts umgeschrieben und durch einen kadenzartigen Abschnitt ersetzt. Dabei ist ein relativ freier Umgang mit Webers Partituren generell keinesfalls ungewöhnlich (man vergleiche etwa die bereits genannte Einspielung von Fröst, die an anderen Stellen sogar noch weiter geht). Insofern übertreibt der Klappentext, wenn dort die Rede von einem „echten“ Weber ist, von dem man Baermann „abkratzen“ und Tarkmann „injizieren“ müsse. Engagiert, allerdings ebenfalls nicht immer unproblematisch auch das Beiheft, das Weber bezüglich der Wertschätzung seiner Musik in der Defensive wähnt; hier wären eine Reihe von Thesen (auch in Richtung Franz Schubert) zu hinterfragen. Dabei bin ich jederzeit bereit, für Webers Klarinettenkonzerte (falls nötig) eine Lanze zu brechen: vorzügliche Werke weit über ihre Bedeutung innerhalb des Klarinettenrepertoires hinaus, die man auf dieser CD in sehr guten, partiell exzellenten Interpretationen zu hören bekommt. Empfehlenswert!

Holger Sambale [17.11.2023]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Carl Maria von Weber
1Konzert Nr. 1 f-Moll op. 73 für Klarinette und Orchester 00:21:59
4Leise, leise, fromme Weise (Arie der Agathe - aus: Der Freischütz) 00:06:43
5Klarinettenkonzert Nr. 2 Es-Dur op. 74 00:22:21
8Sieben Variationen über ein Thema aus der Oper "Silvana" op. 33 J 128 für Klarinette und Klavier 00:15:08

Interpreten der Einspielung

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