Key Words
Piano Parlando 2
Florence Millet
Ars Produktion ARS 38 652
1 CD • 46min • 2021, 2022
31.05.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Key words“ lautet der Titel dieses zweiteiligen Konzeptalbums der Pianistin Florence Millet. Die Französin, die eine Klavierprofessur in Köln innehat, verwendet das englische Wort mehrdeutig. Es geht um „Schlüsselworte“; aber „key“ bezeichnet weiterhin sowohl die Klaviertaste als auch die Tonart. Florence Millet wählte Klavierwerke, die einen engen Bezug zu Sprache haben. Dabei knüpft Band 2 nahtlos an den 2021 erschienenen ersten Teil an. Mehrere Komponisten sind abermals vertreten, darunter Leoš Janáček. Auslöser für dessen Klaviersonate 1. X. 1905 war der Tod eines tschechischen Arbeiters, der während einer Demonstration in Brünn vom Militär erschossen wurde. Millet geht es hier weniger darum, Janáčeks Klänge expressiv bis zur Äußersten aufzuladen; vielmehr trägt sie dem rhapsodischen Gestus und den melodischen Gedankenfetzen der Komposition Rechnung.
Worte, Tasten Tonarten
Wie schon im ersten Band nimmt Erik Satie breiten Raum ein; diesmal mit den Danses Gothiques. Satie gab den einzelnen Sätzen zwar eindringliche Titel – zur Musik lässt sich aber keine Verbindung herstellen. Und so färbt Florence Millet ihre Interpretationen nicht emotional ein, sondern entzieht sich der Eindeutigkeit. Die kryptische Esoterik der gravitätischen Akkordfolgen bringt sie mit kühler Zurückhaltung zum Leuchten.
Ansonsten setzt die Pianistin auf jüngere Musik. Es handelt sich jedoch nicht etwa um „Schlüsselwerke der Klaviermusik des 20. und 21. Jahrhunderts“, wie das Beiheft vermeldet, sondern eher um Raritäten. Auch sonst stiftet das Booklet eher Verwirrung: mit drei Textbeiträgen, in drei Sprachen, von drei Autoren.
An den Grenzen der sprachlichen Welt kratzt Wolfgang Rihms Zwiesprache, ein kleines Klavierstück über die Vergeblichkeit eines Dialoges mit einem verstorbenen Freund. György Kurtág ist mit sieben seiner pädagogischen Stücke aus Játékok vertreten. Darunter stellt das traumvernebelte „Les Adieux (in Janáčeks Manier)“ einen Bezug zu Janáčeks Sonate her. Im 21-Sekunden-Schnipsel Ungarischer Sprachkurs für Ausländer imitiert das Klavier die Sprechsilben.
Expressive Stimmen-Porträts
Diese Herangehensweise treibt der österreichische Komponist Peter Ablinger, Jahrgang 1959, in seinem Zyklus Voices and Piano auf die Spitze. Er erschafft klingende Porträts, indem er O-Töne bekannter Persönlichkeiten pianistisch synchronisiert. Das führt bei Pina Bausch zu einem hinreißenden Pas de deux von Sprach- und Klaviermelodik. Perkussiver wirkt das Ganze bei Bernd Alois Zimmermann, wo das Klavier den gezackten Rhythmus der Sätze aufgreift.
Die Ablinger-Stücke sind ebenso Ersteinspielungen wie Dariya Maminovas Muschel I, das von einem Gedicht Ossip Mandelstams inspiriert ist – ein introvertiertes Juwel mit den sanften, gedimmten Glockenschlägen eines präparierten Klaviers.
Florence Millets Interesse an Raritäten ist sympathisch, auch wenn ihre persönlich gefärbte Repertoire-Auswahl eher willkürlich und zufällig anmutet. Vor allem aber bietet die Pianistin spannende Denkanstöße zum Assoziationsraum von Sprache, Klang und Klavier.
Antje Rößler [31.05.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Peter Ablinger | ||
1 | Voices and Piano (Pina Bausch) | 00:04:06 |
Leoš Janáček | ||
2 | Klaviersonate 1.X.1905 - Von der Straße es-Moll | 00:11:43 |
György Kurtág | ||
4 | Les Adieux in Janáceks Manier (aus: Játékok) | 00:02:26 |
5 | Eine Blume für Nuria (aus: Játékok) | 00:01:24 |
6 | Ungarischer Sprachkurs für Ausländer (aus: Játékok) | 00:00:21 |
Dariya Maminova | ||
7 | Muschel I für präpariertes Klavier | 00:03:02 |
Peter Ablinger | ||
8 | Voice and Piano (Bernd Alois Zimmermann) | 00:03:36 |
György Kurtág | ||
9 | ... per Luciana ... (aus: Játékok) | 00:01:50 |
10 | Tröste dich, Erika (aus: Játékok) | 00:01:04 |
Wolfgang Rihm | ||
11 | Zwiesprache (Heinrich Klotz) | 00:03:45 |
György Kurtág | ||
12 | Fenster zum Flur (aus: Játékok) | 00:01:21 |
13 | Message-esquisses chalheureusement à Pierre Boulez 85 (aus: Játékok) | 00:00:51 |
Interpreten der Einspielung
- Florence Millet (Klavier)