Ioannes Cuisean
Missa Solennis
Musik zum Kölner Gereonsfest 1663
cpo 555 669-2
1 CD • 61min • 2019
17.10.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wer war Ioannes Cuisean? Wir wissen es nicht! Seine Messe für das Fest des Heiligen Gereon zu Köln 1663 ist ein Unikat, das vom Straßburger Domkapellmeister, Lexikographen und vielseitigen Komponisten Sébastien de Brossard gegen Ende des 17. Jahrhunderts katalogisiert wurde und dessen einzige Abschrift sich heute als Stimmensatz in der Pariser Nationalbibliothek befindet. Meinolf Brüser kombiniert seine Ersteinspielung mit den zugehörigen gregorianischen Propriumsgesängen sowie Orgelmusik von Johann Jakob Froberger und rekonstruiert so einen schlüssigen liturgischen Ablauf. Wer sich für die bisher eher wenig beachtete rheinische Musikgeschichte im 17. Jahrhunderts interessiert, sollte auf jeden Fall reinhören.
Ein Soldat als Märtyrer
Da die Geschichte des Kölner Stadtpatrons St. Gereon nur Wenigen bekannt sein dürfte, hier eine kurze Zusammenfassung: Gereon war Soldat der Thebäischen Legion, die sich ausschließlich aus Christen zusammensetzte und wegen ihrer Weigerung den antiken Göttern zu opfern, auf Befehl des Kaisers Maxentius um 300 zunächst in der heutigen Schweiz zweimal dezimiert und dann an verschiedenen Orten im Rheinland endgültig hingerichtet wurde. Gereon wurde – so die Legende – an dem Ort, an dem später die romanische St. Gereonskirche erbaut wurde, enthauptet. Wesentliche Quellen sind Gregor von Tours und die Legenda aurea des Johannes de Voragine. Althistoriker bezweifeln diese Erzählung da von 260 bis 303 keine Christenverfolgungen im römischen Reich dokumentiert sind. Diese wurden erst unter Diokletian ab 303 wieder aufgenommen.
Frühbarocke Pracht
Cuiseans Messe ist ein wirklich festliches Werk für 6 Solisten – Chöre waren im 17. Jahrhundert unüblich – je zwei Trompeten und Violinen, drei Posaunen und Continuo. Da die Besetzung mit Trompeten dem hohen Adel vorbehalten war, kann man von der Anwesenheit des wittelsbachischen Kölner Kurfürsten und Erzbischofs beim Festgottesdienst zu Ehren des Heiligen ausgehen. Die Besetzung weist gewisse Parallelen zu den Grandes Motettes von Lully, der ja bei Giacomo Carissimi studierte und Marc-Antoine Charpentier auf. Erstaunlich, welche Klangpracht sich hier durch nur 16 Musiker entfalten kann. Die flankierenden Orgelwerke Frobergers wurden geschickt ausgewählt und ergänzen den festlichen Rahmen.
Ausgrabung gelungen
Die Josquin Capella musiziert unter der Leitung von Meinolf Brüser stil- und schwungvoll. Intonation und Phrasierung sind vorbildlich. Die Herren glänzen außerdem als perfekte Choralschola, die demonstriert, dass Gregorianik nicht nur weihrauchumwölkt, sondern auch spannend sein kann, was den Rezensenten daran hinderte, nach 25 Sekunden den nächsten Track anzuwählen. Ebenso gelingt es Markus Märkl an der Orgel von St. Petri in Arnsberg Froberger als den wohl virtuosesten Organisten des 17. Jahrhunderts zu präsentieren, indem er bei durchaus raschen Tempi jedes Detail sauber und sinnfällig zu artikulieren versteht und so jede polyphone Verästelung verdeutlichen kann.
Ein exzellenter Booklet-Text von Burkhard Bader mit der Disposition der Orgel sowie eine gelungene Aufnahmetechnik runden den höchst positiven Gesamteindruck ab.
Fazit: Wer erfahren will, dass es im 17. Jahrhundert nicht nur in Thüringen, Sachsen und Norddeutschland, sondern auch im Rheinland fähige Musiker gab, greife zu dieser Aufnahme, die ich hiermit empfehle.
Thomas Baack [17.10.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Jakob Froberger | ||
1 | Toccata IV in C | 00:03:10 |
trad. | ||
2 | Multe tribulationes (Introitus) | 00:03:10 |
Ioannes Cuisean | ||
3 | Missa Solennis (Kyrie) | 00:04:47 |
4 | Missa Solennis (Gloria) | 00:01:40 |
trad. | ||
5 | Timete dominum (Graduale) | 00:03:06 |
6 | Alleluja: Vox exultationes | 00:02:11 |
7 | Maiestati sacrosancte (Tractus) | 00:02:20 |
8 | Maiestati sacrosancte (Sequentia) | 00:05:30 |
Ioannes Cuisean | ||
9 | Missa Solennis (Credo) | 00:09:34 |
trad. | ||
10 | Mirabilis deus in sanctis (Offertorium) | 00:01:41 |
Ioannes Cuisean | ||
11 | Missa Solennis (Sanctus) | 00:01:54 |
Johann Jakob Froberger | ||
12 | Toccata VI a-Moll | 00:04:44 |
Ioannes Cuisean | ||
13 | Missa Solennis (Agnus Dei) | 00:01:52 |
trad. | ||
14 | Dico autem vobis (Communio) | 00:00:45 |
Johann Jakob Froberger | ||
15 | Capriccio VII | 00:04:37 |
Interpreten der Einspielung
- Josquin Capella (Chor)
- Markus Märkl (Orgel)
- Meinolf Brüser (Dirigent)