Grażyna Bacewicz
Complete Orchestral Works Vol. 3
cpo 555 661-2
1 CD • 75min • 2023
28.10.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Mit der dritten Folge endet bereits die Einspielung sämtlicher nicht-konzertanten Orchesterwerke Grażyna Bacewiczs (1909–1969) unter Łukasz Borowicz. Und die CD hält einige Überraschungen bereit: vor allem die Ersteinspielung der 1. Symphonie, die noch 1942 begonnen, jedoch erst nach Kriegsende fertiggestellt und schließlich 1948 in Krakau uraufgeführt wurde. Die immer äußerst selbstkritische Komponistin hat das Werk dann allerdings weder veröffentlicht noch zurückgezogen, so dass hier nach dem Manuskript neu erstelltes Orchestermaterial erklingt. Borowicz – der auch wieder den informativen Booklettext verfasst hat, ist von der Repertoirefähigkeit des lange verborgenen Stückes zu Recht überzeugt.
Virtuoser Neoklassizismus mit französischem Einfluss
Bacewicz fand ab 1932 in Paris ihre Meisterin: Man spürt in der Symphonie den von Nadia Boulanger gelehrten Neoklassizismus sowie eine gewisse französische Leichtigkeit – besonders im Kopfsatz. Zugleich zeigt Bacewicz ihre typisch hochvirtuose Gangart, individuell adaptierte Formmodelle, wie das quasi als Erweiterung des Scherzos wirkende Finale, und exzellente, abwechslungsreiche Instrumentation. Der langsame Satz bringt volkstümlich anmutende Lyrik und einen starken Höhepunkt. Ebenfalls – im Gegensatz zu Bacewiczs erfolgreicher Ouvertüre von 1943 – kaum gespielt wurde bislang die Polnische Ouvertüre von 1954, die komplett anders aufgebaut ist und klingt. Das WDR Sinfonieorchester spielt erneut mit Verve, bestmöglichem musikalischen Engagement und spürbarer Begeisterung für diese entdeckenswerte Musik; die ganz ausgezeichnete Tontechnik tut ein Übriges.
Ausdruckskraft mittels Sonorismus und Aufgabe der Tonalität
Die viersätzige, noch tonale Partita von 1955 ist eine Orchestrierung der zuvor entstandenen Version für Violine & Klavier. Erinnert vieles bei Toccata und Rondo an die Agilität der 1. Symphonie, ist die Betonung der Klangfarben im Preludium und Intermezzo schon Vorbote des bald Bacewiczs Musik prägenden „Sonorismus“. Musterbeispiele hierfür sind dann das Konzert für großes Symphonieorchester (1962) sowie das 7-minütige In una parte von 1967. Trotz – oder gerade wegen – der nun aufgelösten Tonalität erreicht die Musik eine enorme Ausdruckskraft, die ganz auf der Höhe der 1960er-Jahre ist, ohne sich etwa dem Serialismus oder anderen prägenden Strömungen anzubiedern. Der Farbreichtum hier ist schlicht überwältigend und Borowicz nun offensichtlich ganz in seinem Element. Im 3. und 4. Satz des Konzerts erreicht er vielleicht nicht ganz die Stringenz der Erstaufnahme unter Witold Rowicki, ist aber rein klanglich der 58 Jahre älteren Einspielung natürlich haushoch überlegen – ein mehr als erfreulicher Abschluss des insgesamt absolut empfehlenswerten Projekts.
Vergleichsaufnahme (Konzert für Orchester): Warsaw National Philharmonic Orchestra, Witold Rowicki (Olympia OCD 311, 1965).
Martin Blaumeiser [28.10.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Grażyna Bacewicz | ||
1 | Sinfonie Nr. 1 | 00:24:48 |
5 | Uwertura Polska | 00:08:33 |
6 | Partita für Orchester | 00:13:32 |
10 | Konzert für großes Orchester | 00:21:07 |
14 | In una parte | 00:07:00 |
Interpreten der Einspielung
- WDR Sinfonieorchester Köln (Orchester)
- Łukasz Borowicz (Dirigent)