Grand Caprice
Ernst & Wieniawski
Maxim Brilinsky

hänssler CLASSIC HC24054
1 CD • 67min • 2021, 2022
20.03.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Einem höchst anspruchsvollen Programm widmet sich der Geiger Maxim Brilinsky auf seinem Album „Grand Caprice“ und präsentiert mit Solowerken von Heinrich Wilhelm Ernst und Henryk (Henri) Wieniawski einige der schwierigsten Stücke des Violinrepertoires. Ernst und Wieniawski gehörten zu den bedeutendsten Violinvirtuosen des 19. Jahrhunderts und haben ausgiebig für ihr Instrument komponiert. Sowohl die vollständig dargebotenen Sechs polyphonen Etüden Ernsts, als auch die auszugsweise präsentierte Sammlung L'Ecole moderne Wieniawskis lassen durch ihre Titel an Unterrichtsliteratur denken. Das sind sie wohl auch – vor allem jedoch handelt es sich um bemerkenswerte kompositorische Leistungen, die die beträchtlichen Möglichkeiten der Violine, ein volles und differenziertes Klangbild zu erzeugen, auf vielfältige Weise demonstrieren.
Technische Herausforderungen in Dienste poetischer Ideen
Beiden Komponisten geht es nicht vordergründig um die Demonstration technischer Kunststücke. Die Herausforderung besteht darin, die Anforderungen zu meistern, ohne dass die Technik im Mittelpunkt steht. Sie ist nur Mittel zur Darstellung poetischer Ideen. So verlangen die Variationen Ernsts über The last Rose of Summer und diejenigen Wieniawskis über die österreichische Kaiserhymne (= das Deutschlandlied) danach, dass die Liedmelodie auch durch die kleinteiligsten Verzierungen hindurch als gesangliche Linie wahrnehmbar ist. In anderen Stücken spielt die Geige mit sich selbst im Duett oder gar Terzett (Ernst, Etüde Nr. 3; Wieniawski Prélude, das in Wahrheit eine dreistimmige Fuge ist). Es sind durchweg fein gestaltete musikalische Charakterbilder – im Falle von Ernst im wörtlichen Sinne, denn jedes der Stücke ist einem großen Violinistenkollegen gewidmet, dessen Persönlichkeit es in Tönen nachzubilden sucht.
Steigerung und fulminanter Schluss
Unter Brilinskys Darbietungen überzeugen die drei rhythmisch geprägten Etüden Ernsts (Nr. 1, 2 und 5) am wenigsten, da Brilinsky hier eine die einzelnen Taktschläge betonende Phrasierung wählt, wodurch keine rechte Eleganz aufkommen will. Einen schönen melodischen Fluss entwickelt er dagegen in der Terzett-Etüde (Nr. 3) und der im Wesentlichen aus Arpeggien bestehenden Nr. 4. Auch die Last-Rose-Variationen gelingen ihm vortrefflich, da er das Thema nie aus dem Sinn verliert. Das gleiche lässt sich von Wieniawskis Variationen sagen. Allgemein scheint sich Brilinsky in Wieniawskis École gegenüber den Ernst-Etüden zu steigern, wobei ich den Höhepunkt in La Cadenza erblicke, deren improvisatorischen, spontanen Charakter er wunderbar trifft.
Das Programm wird mit zwei Bearbeitungen beschlossen: Brilinskys eigener Transkription von Wienawskis Legende op. 17 für zwei Violinen, die er – die Tontechnik macht's möglich – im Duo mit sich selbst spielt; und Ernsts genialer Adaption von Franz Schuberts Erlkönig, eben jene Grand Caprice, die dem Album den Titel gab. Mit diesem hinreißend gespielten Finale setzt Brilinsky einen überzeugenden Schlusspunkt.
Norbert Florian Schuck [20.03.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Heinrich Wilhelm Ernst | ||
1 | Etüde Nr. 1 (à Laub - aus: Sechs mehrstimmige Etüden) | 00:05:39 |
2 | Etüde Nr. 2 (à Sainton - aus: Sechs mehrstimmige Etüden) | 00:03:28 |
3 | Etüde Nr. 3 (à Joachim - aus: Sechs mehrstimmige Etüden) | 00:06:21 |
4 | Etüde Nr. 4 (à Vieuxtemps - aus: Sechs mehrstimmige Etüden) | 00:03:47 |
5 | Etüde Nr. 5 (à Hellmesberger - aus: Sechs mehrstimmige Etüden) | 00:03:53 |
6 | Etüde Nr. 6 (Die letzte Rose, à Bazzini - aus: Sechs mehrstimmige Etüden) | 00:09:57 |
Henryk Wieniawski | ||
7 | L' Étude op. 10 Nr. 3 (aus: L' École moderne) | 00:04:17 |
8 | Le Staccato op. 10 Nr. 4 (aus: L' École moderne) | 00:02:28 |
9 | Prélude op. 10 Nr. 6 (aus: L' École moderne) | 00:02:58 |
10 | La Cadenza op. 10 Nr. 7 (aus: L' École moderne) | 00:05:21 |
11 | Les Arpéges op. 10 Nr. 9 (Variations sur l'hymne autrichien - aus: L' École moderne) | 00:05:51 |
12 | Légende g-Moll op. 17 für Violine und Klavier (bearb. für Violine solo: Maxim Brilinsky) | 00:07:45 |
Heinrich Wilhelm Ernst | ||
13 | Der Erlkönig op. 26 für Violine solo (Le roi des aulnes, Grand Caprice, 1854) | 00:04:48 |
Interpreten der Einspielung
- Maxim Brilinsky (Violine)