Kabalevsky 2nd & Schumann
Cello Concertos
Theodor Lyngstad

OUR Recordings 8.226926
1 CD • 53min • 2021
06.04.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Der norwegische Cellist Theodor Lyngstad, Jahrgang 1993, ist seit 2019 Solocellist beim Philharmonischen Orchester Kopenhagen (bzw. in aktueller Eigenbezeichnung Copenhagen Phil – hele Sjællands symfoniorkester). Mit dem vorliegenden Album gibt er sein CD-Debüt, sekundiert von „seinem“ Orchester unter der Leitung der finnischen Dirigentin Eva Ollikainen (derzeit Chefdirigentin des Isländischen Sinfonieorchesters). Vergleichsweise ungewöhnlich ist dabei die Kombination von Kabalewskis Cellokonzert Nr. 2 und Schumanns Cellokonzert, wobei Lyngstad selbst allerdings durchaus berechtigt auf eine Reihe von Parallelen zwischen den beiden Werken hinweist, speziell atmosphärischer Natur.
Nuancenreicher, kontrollierter Ton und große Sensibilität
Natürlich ist Robert Schumanns Cellokonzert a-moll op. 129 (1850) heute ein absoluter Fixpunkt des Cellorepertoires, völlig unverständlich, dass die Rezeption dieses großartigen, tiefen, in einem breiten Strom des Erzählens und Nachsinnens gehaltenen Konzerts hier und da nach wie vor von gewissen Vorbehalten gegenüber Schumanns späteren Werken überschattet wird. Lyngstad und seine Mitstreiter legen eine durch und durch überzeugende Interpretation vor, die sich nicht vor der fast überreichen diskographischen Konkurrenz zu verstecken braucht. Dies liegt zum einen an Lyngstads noblem, nuancenreichen, kontrolliertem, wohlartikuliertem Ton und seiner Fähigkeit, die weitem melodischen Linien dieses Konzerts intelligent zu gestalten; gleichzeitig wird sein Part vorbildlich in das Orchester, mit dem der Solist in diesem Konzert ja immer wieder dialogisiert und kommuniziert, eingebettet. Andererseits setzt Lyngstad zwar durchaus eigene Akzente (auch wortwörtlich, etwa passagenweise im Kopfsatz), aber eher punktuell, wohldosiert und ohne dabei zu überspitzen: hier wird Schumanns Konzert eben nicht gegen den Strich gebürstet, um mit einer besonders individuellen Lesart aufzuwarten, sondern mit großer Sensibilität die Charakteristik der Musik nachempfunden.
Kabalewskis großartiges Cellokonzert Nr. 2
Auf CD zwar nicht völlig ausgefallen, aber angesichts seiner Qualitäten doch viel zu wenig beachtet ist das Cellokonzert Nr. 2 c-moll op. 77 (1964) von Dmitri Kabalewski (1904–1987), vielleicht auch deshalb, weil Kabalewski der Ruf eines „offiziellen“ sowjetischen Komponisten vorauseilt. Für mich ist derlei angesichts eines so lohnenswerten, vielschichtigen und einprägsamen Stücks wie es dieses Konzert ist (das auch nach Jahren immer wieder neue Facetten offenbart) eher von peripherem Interesse. Wie Schumann ein Dreisätzer ohne Pausen zwischen den Sätzen, in Kabalewskis Falle allerdings mit langsamen Ecksätzen und einem Presto in der Mitte, nennt Lyngstad zurecht das Konzert von Kabalewskis Lehrer Mjaskowski (ebenfalls in c-moll, wie übrigens auch Weinbergs ebenfalls wesensverwandtes Konzert) als Inspirationsquelle, sicher auch hier und da Schostakowitsch, wobei man hier schon differenzieren muss, denn wenn gelegentlich (nicht allerdings im gut geschriebenen und lesenswerten Begleittext!) reflexartig davon die Rede ist, dass beide Schostakowitsch-Konzerte Pate gestanden hätten, dann verrät bereits ein Blick auf die Entstehungsjahre, dass dies gar nicht möglich ist. Reichliche Parallelen gibt es aber u.a. auch zu Kabalewskis eigener, kurz zuvor entstandener Cellosonate, was die profilierte eigene Persönlichkeit von Kabalewskis Musik nur unterstreicht.
Lyrisch-elegisches Verständnis der Musik
Lyngstads Lesart bewegt sich abermals auf hohem Niveau; hier und da könnten im Orchester einige Details (z.B. im Kopfsatz das erste Erscheinen des Sechzehntelmotivs bei Ziffer 7) noch prägnanter herausgearbeitet werden, aber insgesamt zeichnet sich diese Interpretation durch ganz ähnliche Tugenden wie diejenige des Schumann-Konzerts aus. In der Tat: Lyngstad betrachtet beide Konzerte wie erwähnt als aus ähnlichem Holz geschnitzt, und so dominiert auch hier ein eher lyrisch-elegisches Verständnis dieser Musik. Dabei könnte man dem ersten Satz, gespeist von seinem charakteristischen Pizzicato-Thema, eine noch etwas schärfere, eisigere Note abgewinnen und den zweiten Satz dramatisch stärker zuspitzen. Am überzeugendsten für mich nicht zufällig das Finale, das ja eigentlich eine Art Lied ist, jedoch immer wieder unterbrochen von Reminiszenzen an die vorangegangenen Sätze. Es lohnt sich, genau hinzuschauen: die sieben ersten Takte des Themas könnten ohne Weiteres in C-Dur harmonisiert werden, aber dies tut Kabalewski eben nicht, sondern verhüllt seine Kantilene zunächst, hinterfragt sie, taucht sie in Ambivalenz; umso stärker und ergreifender dann der Moment, wenn in den sanft verlöschenden Schlusstakten der Himmel aufklart und sich die C-Dur-Tonalität endlich stabilisiert, von Lyngstad in dieser Einspielung ganz wunderbar in Szene gesetzt. Zusammen mit dem ausgezeichneten Klang der CD eine höchst erfreuliche Neuerscheinung.
Holger Sambale [06.04.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dimitri Kabalewsky | ||
1 | Violoncellokonzert Nr. 2 op. 77 | 00:29:51 |
Robert Schumann | ||
4 | Konzert a-Moll op. 129 für Violoncello und Orchester | 00:22:48 |
Interpreten der Einspielung
- Theodor Lyngstad (Violoncello)
- Copenhagen Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Eva Ollikainen (Dirigentin)