Simax PSC 1185
1 CD • 60min • 1968, 1985
01.11.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die 1928 geborene, bei Louis Persinger ausgebildete Norwegerin Camilla Wicks, die in jungen Jahren in Amerika eine große Karriere zu machen versprach, hat sich in bisher allen mir zugänglichen Tondokumenten als Geigerin von absoluter Weltklasse ausgewiesen. Der 1953er live-Mitschnitt des Beethoven-Konzerts mit den New Yorker Philharmonikern unter Bruno Walter ist bezüglich der unbändigen Energie und draufgängerischen Brillanz, die nie außer Kontrolle gerät, ohnegleichen. Nun legt Simax glücklicherweise erstmals live-Aufnahmen der reiferen Jahre mit den Osloer Philharmonikern vor, die eigentlich die etablierte Musikwelt den Atem anhalten lassen müßten. Das Walton-Konzert, gegeben 1985 unter der Leitung von Juri Simonov, läßt sich im Orchester gewiß noch brillanter und behutsamer ausgearbeitet denken, doch die Solistin spielt so mitreißend, daß ihre Begleiter keiner weiteren Motivationsspritzen bedürfen. Camilla Wicks trifft das Charakteristische mit einer unangestrengten Natürlichkeit, nie hat man den Eindruck, als zögere sie oder lasse Unschärfen eintreten. Die unsentimentale, aber stets mit wachem Gespür erfüllte Klarheit, die selbstverständliche Courage und unerbittliche Linearität, die aber nie in Schroffheit ausarten: all das wirkt auf den unbedarften wie auf den erfahrenen Hörer unmittelbar mitreißend.
Ein besonderes Juwel ist das Anfang der 60er Jahre komponierte vierte Violinkonzert von Bjarne Brustad (1895-1978), international nur bekannt als Lehrer Arne Nordheims, der in ihm respektvoll einen "norwegischen Bartók-Ableger" sieht. Aber auch französische Einflüsse (Milhaud!) spielen - wie bei seinem Landsmann Edvard Hagerup Bull - eine Rolle, die Tonsprache wirkt dabei frisch und originell, von herber Schönheit, mit einem melancholisch durchflorten Andante-Mittelsatz. Unter Herbert Blomstedts präziser Leitung tritt das Orchester in einen spannungsvollen Dialog mit der fulminanten Solistin, die weder Tod noch Teufel je gefürchtet zu haben scheint - beglückendes Gelingen rundum, live ohne geringsten Schummelbedarf (1968, klanglich schon recht betagt).
Camilla Wicks hat die Violinkonzerte von Harald Sæverud und Klaus Egge in New York uraufgeführt, hat mit Fartein Valen, Hilding Rosenberg und Ernest Bloch deren Konzerte einstudiert und legendäre Aufführungen gegeben: Es wird höchste Zeit für eine umfassendere Veröffentlichung von Wicks-Aufnahmen, die sich in so einmaliger Weise nicht nur der Musik ihrer Zeit gewidmet hat und vielleicht weiterhin widmet.
Christoph Schlüren [01.11.2001]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Bjarne Brustad | ||
1 | Violinkonzert Nr. 4 | |
William Walton | ||
2 | Konzert h-Moll für Violine und Orchester (1939) |
Interpreten der Einspielung
- Camilla Wicks (Violine)
- Oslo Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Herbert Blomstedt (Dirigent)
- Yuri Simonov (Dirigent)