harmonia mundi HMC 801805.07
3 CD/SACD • 3h 02min • 2002
15.09.2003
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Griselda ist Alessandro Scarlattis letzte Oper, 1721 wurde das Werk in Rom am Teatro Capranica uraufgeführt. Diese Premiere sollte für fast dreihundert Jahre die letzte Aufführung der Griselda bleiben; zu teuer war es, das aufwendige Stück auf die Bühne zu bringen – überdies hatte sich der Publikumsgeschmack geändert und mit dieser Geschichte um eine bedrängte Ehefrau, die durch ihre Tugend und Standhaftigkeit aus einer Verkettung von Prüfungen und Demütigungen doch als strahlende Siegerin hervorgeht, war kein Publikum mehr ins Theater zu locken.
Scarlatti indes war mit Griselda nach Rom zurückgekehrt – an den Ort, wo mehr als vierzig Jahre zuvor seine triumphale Laufbahn als Opernkomponist begonnen hatte, und er legte all seine Kunstfertigkeit in dieses Werk: Da gibt es keine Anleihen mehr bei früheren Opern, keine umgearbeiteten Arien. Alles ist original für diese Oper komponiert und alle musikalischen Mittel werden mit äußerster Meisterschaft in den Dienst des Werkes gestellt.
Mit seinem starken Sinn für Dramatik nimmt sich der in Wiederentdeckungen höchst erfahrene René Jacobs dieses opulenten Meisterwerks an. Wie zumeist bei diesem außerordentlich bühnenerfahrenen Künstler kommt dabei, zum Vergnügen des Zuhörers, die Sinnlichkeit nicht zu kurz. Besonders die Rezitative treiben die Handlung aktiv voran und beweisen sich so als echte dramatische Momente der Oper, die ihre natürliche Fortsetzung in den ihrerseits den Ablauf des Geschehens kommentierenden Arien finden. Hier allerdings wird der Unterschied zu Händels Opern deutlich, der mit seinem Geburtsjahr 1685 genau so alt war wie Alessandro Scarlattis Sohn Domenico: Händel benutzte gerade die Arien seiner Protagonisten eher als Psychogramm der Figuren denn als Hintergrund für virtuose Darstellungen sängerischer Fähigkeiten. So stellt sich Antonio Scarlattis „GriseldaÒ hier gewissermaßen als Schwanengesang der Oper seria alten Schlages vor. Händels „Giulio CesareÒ war bereits 1720 erfolgreich uraufgeführt worden!
Wie bei René Jacobs nicht anders zu vermuten, besticht seine sängerische Besetzung durch Homogenität; es wäre allerdings ungerecht, den besonderen Glanz zu übergehen, den Bernarda Fink in ihrer eher kleinen Rolle als Roberto der Aufnahme schenkt: Hier scheinen die zukünftigen Möglichkeiten eines Händel wie hoffnungsvolle Lichter am Horizont der Operngeschichte auf; nahe kommen diesem Ideal die mit kräftigem Timbre agierende Silvia Tro Santafé als Ottone und Dorothea Röschmann in der Titelrolle.
Ein besonderes Lob verdient der Einstieg von harmonia mundi in die SACD-Technik: Wer einen SACD-Player besitzt, der den Wechsel zwischen CD- und SACD-Layer erlaubt, kann den Unterschied zwischen CD und Super-Audio-CD hautnah erleben: Wo die CD prachtvoll klingt, erweist sie sich im Vergleich mit der SCAD als aufgeblasen gegenüber einem Klangbild, das an Natürlichkeit und Präsenz alles übertrifft, was wir in den Jahren des hochgelobten Digital-Audio je gehört haben!
Detmar Huchting [15.09.2003]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Alessandro Scarlatti | ||
1 | Griselda |
Interpreten der Einspielung
- Dorothea Röschmann (Griselda - Sopran)
- Lawrence Zazzo (Gualtiero - Countertenor)
- Veronica Cangemi (Costanza - Sopran)
- Bernarda Fink (Roberto - Mezzosopran)
- Silvia Tro Santafé (Ottone - Mezzosopran)
- Kobie van Rensburg (Corrado - Tenor)
- Akademie für Alte Musik Berlin (Orchester)
- René Jacobs (Dirigent)