Franz Schmidt (1874 – 1939) ist den Hörern von heute vor allem durch sein Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln bekannt. Und öfters aufgeführt wird auch das Zwischenspiel aus seiner Oper Notre Dame von 1914. Der in Preßburg, dem heutigen Bratislava, geborene Komponist wirkte in Wien zunächst als Cellist und Pianist, bevor er sich als Schüler von Bruckner, Ferdinand Hellmesberger und Robert Fuchs als Komponist einen Namen machte. Der schweizerische Organist Andreas Jetter setzt sich nun für das Orgelschaffen Schmidts ein, das eine zentrale Rolle im Schaffen des Multitalents bildet.
Als ich am 3. August 1995 die große Ehre und Gelegenheit hatte, Sándor Végh in seinem Haus in Salzburg zu interviewen (es sollte sein letztes Interview sein), äußerte er sich sehr glücklich, dass das Spiel seines legendären Végh-Quartetts eine Nachfolge-Formation gefunden habe im Keller-Quartett: „Es wird weiterhin große Musik gemacht und Bartók verstanden.“ Primarius András Keller war ein musikalischer Ziehsohn seines großen Landsmanns, und er hat damals mit seinem Quartett wunderbare Aufnahmen u. a. von Bartók und Schubert für Erato gemacht. Nun hat sich András Keller schon lange dem Dirigieren zugewandt und für Tacet einen Bruckner-Zyklus begonnen, bei dem er sich mit seinem hervorragenden Concerto Budapest erfreulich viel Zeit lässt und mit klar strukturierten, fein empfundenen und das Drama der großen Form brillant entfaltenden und balancierenden Darbietungen heute als einer der besten Bruckner-Dirigenten dasteht, dessen Beispiel für den wachen Hörer so manchen Schnellproduzierer bloßstellt.
Die Doppel-CD "Es rappelt im Salon – Rivalen der Comedian Harmonists" entführt in die faszinierende Welt des Schlagers einer vergangenen Ära. Diese Sammlung präsentiert eine sorgfältig ausgewählte Zusammenstellung legendärer Originalsongs, ebenso wie eine Kollektion liebevoll neu aufpolierter Versionen, die von den Ensembles Nobile und ensembleleipzigersalon neu interpretiert wurden. Egal ob Comedian Harmonists, die längst Kultstatus erlangt haben oder die Zeitgenossen dieser ersten Boygroup der Musikgeschichte – Schlager waren damals etwas anderes als die konfektionierte Massenware der heutigen Unterhaltungsindustrie. Sie portaitierten humoristisch das Lebensgefühl vieler Zeitgenossen und es war meist auch eine gehörige Portion musikalisch-handwerklicher Substanz im Spiel.
Organ Works Vol. 9 played on historical instruments of Reger's time
cpo 555 289-2
2 CD • 2h 25min • 2022
29.04.2024 • 9 9 9
Das Projekt von Gerhard Weinberger, das gesamte Orgelwerk von Max Reger auf historischen Instrumenten der Reger-Zeit aufzunehmen, ist bei Volume 9 angekommen. Diesmal sind es die Sauer-Orgel der Lutherkirche Chemnitz von 1908 und die Goll-Orgel der Kollegiumskirche Schwyz von 1912. Die Dispositionen beider Orgeln sind im Booklet angegeben. Entweder haben diese beiden Orgel einen insgesamt dunkleren Klang oder Weinberger wählt bewusst diesen Klang – manchmal wünschte ich mir eine klangliche Aufhellung. Außerdem scheinen die Mikrofone ziemlich weit vorne in der Kirche zu stehen, man hört nämlich die Orgeln ziemlich weit weg, einzig in Track 13 der CD I klingt sie nähergerückt.
Das Programm der neuen Panflöten-CD beim Label Prospero stellt sich als ein Sammelalbum dar, das sich das Motto „Für jeden etwas“ gegeben hat. Das mag damit zusammenhängen, dass es nicht einfach war, im klassischen Sektor für die Panflöte geeignete Stücke zu finden. Umso überraschender ist die Einspielung der Variationen Franz Schuberts über das Lied Trockene Blumen aus dem Zyklus Die schöne Müllerin. Es gelingt Hanspeter Oggier, der im schweizerischen Wallis aufwuchs, den im Original der Querflöte gewidmeten Part technisch versiert und musikantisch überzeugend zu gestalten. Die rauere, von hörbarem Luftzug begleitete Tongebung der Panflöte verleiht der Darstellung sogar einen besonderen Reiz. Und der aus Russland stammenden Pianistin Marina Vasilyeva, die als Korrepetitorin der Luzerner Panflötenklasse mit Oggier zusammenarbeitet, gelingt eine markante und einfühlsame Darstellung der anspruchsvollen Klavierstimme, ohne die Panflöte zu übertönen.
Mit der neuesten CD legt das Pianisten-Ehepaar Gülru Ensari und Herbert Schuch bereits sein viertes Album vor, „eternity“ genannt (und entsprechend illustriert mit einer Fotografie auf dem Albumcover, auf der die beiden Partner offenbar ein Unendlichkeitssymbol nachstellen). Enthalten sind Werke für Klavier zu vier Händen bzw. zwei Klaviere von Franz Schubert, Olivier Messiaen, Johannes Brahms und Ludwig van Beethoven, die allesamt eine wie auch immer geartete „transzendentale“ Komponente besitzen.
Sophe Dervaux, Gewinnerin des 2. Preises im ARD-Wettbewerb 2013 und Solofagottistin in Wien macht sich auf die Reise, alle Fagottkomzerte Antonio Vivaldis auf CD einzuspielen. Von allen Blasinstrumenten hat Vivaldi das Fagott mit 39 Werken am reichsten bedacht. Das ist eher ungewöhnlich, da dieses im italienischen Barock vorwiegend zur Verstärkung des Generalbasses eingesetzte Instrument, ansonsten eher in Frankreich und Deutschland obligate Verwendung in Ouvertüren-Suiten (Trios von Tanzsätzen) und paarweise in Arien konzertierend in Werken von Bach (h-Moll Messe und Telemann (u. a „Seliges Erwägen“, f-Moll-Sonate) fand. Möglicherweise erinnerte sich der Komponist aber an venezianische Canzonen und Ensemblesonaten mit konzertierendem Bassinstrument à la Girolamo Frescobaldi oder Giovanni Battista Fontana, die ebenfalls virtuose Partien für den Bassdulzian, den Vorläufer des Fagotts, enthalten.
Erfreute sich auch auf dem Tonträgermarkt eine Zeit lang Musik für Flöte und Orgel – zwar meist in Bearbeitungsform – größerer Beliebtheit, existieren Konzerte für Flöte(n), Orgel und Orchester als Originalkompositionen ab dem 19. Jahrhundert so gut wie nicht. Dem bot nun die Polska Filharmonia Bałtycka im. Fryderyka Chopina w Gdańsku mit gleich vier Auftragskompositionen – entstanden zwischen 2018 und 2022 – Abhilfe: Die Ergebnisse – natürlich sämtlich in Ersteinspielungen – sind höchst ansprechend.
Die junge, derzeit in Nürnberg engagierte Mezzosopranistin Corinna Scheurle, ist Deutsch-Ungarin und zweisprachig aufgewachsen. Hier präsentiert sie gemeinsam mit der Pianistin Klara Hornig ein Programm, das die ungarischen Komponisten Béla Bartók und Zoltán Kodály, die das Kunstlied als Gattung aus dem Geiste der Volksmusik erneuerten und ins 20. Jahrhundert führten, mit Liedern ihres Zeitgenossen Alban Berg und solchen des romantischen Liedmeisters Robert Schumann konfrontiert und in sinnreiche Verbindungen bringt.
Karl Wilhelm Ramlers für Carl Heinrich Graun im Jahre 1754 geschriebener Kantatentext Der Tod Jesu wurde kurz vor der Uraufführung der Graunschen Komposition 1755 von Georg Philipp Telemann komponiert und in dieser Form bereits eine Woche vor der Berliner Aufführung in Hamburg präsentiert. Offensichtlich ein Wettstreit der beiden befreundeten Komponisten. Der zweitjüngste Bach-Sohn, Johann Christoph Friedrich, vertonte den Text 1769. Schließlich zog der kurzmainzische erzbischöfliche Konzertmeister Georg Anton Kreusser (1746-1810) im Jahre 1783 nach und veröffentlichte seine Version bei Schott in Mainz. Dieser haben sich die Mainzer Domkantorei St. Martin und das Domorchester unter der Leitung von Karsten Storck in einem Konzert angenommen, das jetzt als Live-Mitschnitt veröffentlicht wurde
Wenn man an Opernhäuser in Italien denkt, denkt man zuerst an das Teatro alla Scala in Mailand, an das Teatro la Fenice in Venedig oder an das Teatro San Carlo in Neapel – weniger an das Teatro Regio in Turin. Und doch ist das 1740 in Turin gebaute Teatro Regio damals „das bestdurchdachte, bestaufgeführte und vollständigste Haus, das in Italien zu finden ist“ – so urteilt zumindest Joseph-Jérôme de Lalande Mitte der 1760er Jahre. Weil das königliche Theater nur in der Karnevalszeit bespielt wurde, diente das Teatro Carignano als weiterer Opern-Spielort. Diese CD möchte nun mit vielen Sopran-Arien demonstrieren, wie vielfältig das Operngeschehen in Turin im ausgehenden 18. Jahrhundert war.
Die in Riga geborene Cembalistin Tatjana Vorobjova lebt inzwischen in der Nähe von Köln; sie hat sich eine erfolgreiche internationale Solistenkarriere aufgebaut und kann mittlerweile auf eine ansehnliche Diskographie verweisen. Darunter eine SACD mit Sonaten von Domenico Scarlatti unter der Überschrift „…ma cantabile“, die mir vor anderthalb Jahren zur Besprechung vorlag und mich rückhaltlos begeisterte. Diese Veröffentlichung mit Werken von J. S. Bach steht unter dem Titel „… con passione – mit Leidenschaft“: Bach, wenn auch im gleichen Jahr geboren wie Domenico Scarlatti, stellt den Cembalisten vor ganz andere musikalische und solistische Anforderungen – so war ich gespannt, ob Tatjana Vorobjova mich in gleicher Weise würde überzeugen können, zumal sie auf demselben großartigen Instrument spielt...
Man muss die Titel auf dem Cover genau lesen: Vorne heißt es LUDWIG versus BEETHOVEN, hinten LUDWIG van Beethoven – es geht also um die Gegenüberstellung des sehr jungen Ludwig gegen den reifen Beethoven. Oder, wie es die Pianistin Paloma Kouider im (nur) zweisprachigen (Englisch/Französisch) Booklet schreibt, „to compare these very earliest works with those of final maturity, such es the last cycles of Bagatelles, op. 119 and 126“. Die „earliest works“ sind die Variationen über einen Marsch von Eernst Christoph Dressler WoO 63 und die zweite der Kurfürstensonaten WoO 47 des damals 13-jährigen Ludwig.
Wurde ein fünfter Evangelist namens Nikodemus entdeckt? Nein, so sensationell ist es dann doch nicht. Das Evangelium des Nikodemus gehört zu den wirkmächtigsten frühchristlichen Texten, die als sogenannten Apokryphen, nicht ins Neue Testament aufgenommen wurden. Hierbei handelt es sich um eine Sammlung dreier Textkomplexe: den – fiktiven – Prozessakten des Pilatus, die Joseph von Arimathia und Nikodemus, die Jesus begruben, einen besonderen Stellenwert einräumen, die Auferstehungsberichte, wiederum mit Akzentuierung Josephs, und die ausführliche Darstellung der Höllenfahrt Jesu. Es inspirierte den Mönch von Salzburg zu einem neunstrophigen Lied, das Anne-Suse Enßle und Philipp Lamprecht mit instrumentalen Zwischenspielen zu einer mittelalterlichen Passion verarbeiteten.
Mit dem vorliegenden Album gibt das erst 2019 gegründete Chaos String Quartet, bestehend aus jungen Musikern aus Deutschland, Ungarn, Italien und den Niederlanden, die ihr Studium in Wien absolviert haben, sein CD-Debüt. In brandneuen Aufnahmen (entstanden erst im Dezember 2023) präsentiert das Quartett Streichquartette von Joseph Haydn, György Ligeti und Fanny Hensel.
Das mir bis dato nicht bekannte Klassik-Label écoutez!, von Stefanos Ioannou gegründet und betrieben, hat es sich - nach eigener Auskunft auf der Website - zum Ziel gesetzt, talentierte Musiker und Komponisten zu fördern, was konkret heißt, ihnen bei der Produktion und dem Vertrieb ihrer aufgezeichneten Arbeit behilflich zu sein. Der Schwerpunkt liegt auf der online-Veröffentlichung auf Streaming-Plattformen, auf Wunsch der Künstler ist aber auch die Herstellung einer physischen CD möglich. Das ist also ein ähnliches Verfahren wie bei „book on demand“.
Die Barockmusik ist voll von hochvirtuosen Solokonzerten für fast jedes damals bekannte Instrument. Vom Level der damaligen Musiker her liegt dies auch auf der Hand, denn im Gegensatz zur heutigen Zeit waren auch Orchesterwerke von den einzelnen Stimmen her häufig solistisch oder maximal doppelt besetzt – ein Pool von beispielsweise zehn ersten Violinen fand man in dieser Zeit nicht! Diese technisch anspruchsvollen Solokonzerte in der heutigen Zeit in dieser Mannigfaltigkeit wie dies damals üblich war, umzusetzen, fällt heute eher schwer. In der Regel muss man sich als Orchester die Solisten immer für viel Geld einkaufen. Ein Konzert oder eine Aufnahme mit mehr als nur einem Solisten zu gestalten, ist da schlicht unbezahlbar. Da ist es doch viel sinnvoller, gleich ein Orchester zu gründen, das sich aus Musikerinnen und Musikern zusammensetzt, die jeder für sich auch hervorragende Solisten sind.
Ernst Eichner (1740 – 1777) wirkte seit 1762 als Geiger, Fagottist und Komponist am Hofe Herzog Christians VI. von der Pfalz-Zweibrücken, wo er 1769 zum Konzertmeister befördert wurde. Er orientierte sich in seinem Schaffen an der Mannheimer Schule, konnte aber infolge der beschränkteren Verhältnisse in Zweibrücken nur mit einer kleineren Orchesterbesetzung arbeiten. 1773 ging er nach Potsdam, wo er eine Stelle in der Hofkapelle erhielt. Seine rund dreißig Sinfonien erschienen jeweils im Sechserpack in Paris, wie auch viele Werke der „Mannheimer“.
Die argentinische Flötistin Maria Cecilia Muñoz und ihre kanadische Klavierpartnerin Tiffany Butt haben die durch die Corona-Pandemie verfügten Einschränkungen genutzt, um ein Konzeptalbum zum Thema „Freiheit und Gefangenschaft“ zu entwickeln. Diese Unfreiheit kann entweder aus sozialen, politischen oder speziesistischen Zwängen resultieren und wird hier an zu dressierenden Singvögeln und komponierenden Frauen exemplifiziert. Da absolut hinreißend musiziert wird, kommen jedoch auch – gern über Konzeptalben spottende – „alte weiße Männer“, zu denen der Rezensent sich ohne jegliche Scham rechnet, voll auf ihre Kosten.
Als Gitarrist kommt man an einem Komponisten wie Fernando Sor nicht vorbei. So geht es auch Frank Bungarten, mehrfacher Preisträger renommierter Auszeichnungen und zugleich Professor in Luzern und Hannover. Seit über 30 Jahren hat Bungarten für MDG zahlreiche Tonträger aufgenommen, auch bereits mehrere, die das Œuvre von Fernando Sor zum Schwerpunkt machten. Der Komponist hatte in bewegtes Leben: 1778 in Barcelona geboren, hatten seine Eltern eigentlich anderes mit ihm im Sinn denn Musik. Und doch begann er mit fünf Jahren Gitarre und Violine zu spielen – die Instrumente, die er durch seinen Vater kannte. 1791 kam Sor im Kloster Montserrat in die Schule, wo er eine umfassende Ausbildung erhielt (auch im musikalischen Sinne). Trotz der dortigen, eher feingeistigen Ausbildung, ging Sor zunächst zum Militär und machte dort Karriere als Offizier und in der königlichen Verwaltung. Doch auch in dieser Zeit schrieb und spielte er Musik. 1797 wurde seine erste Oper in Barcelona mit großem Erfolg aufgeführt.
Ob man sich all das schon im Jahr 2013 gedacht hat, als Ivo und Ilja Ruf zum ersten Mal einen Preis beim Bundeswettbewerb von Jugend musiziert gewannen? Elf Jahre später zeigen sich die beiden zusammen mit dem Pianisten Nikolai Gast als Trio Clarinoir hervorragend aufeinander eingeschworen. Ihr CD-Debüt hatten sie bereits vor vier Jahren vorgelegt, das musikalische „Roadmovie“ begann. Von konzeptionellem Weitblick zeugt, wie sie jetzt eine dazu passende Veröffentlichung, nämlich einen „Night Train“ nachlegen. Was einmal mehr zeigt, dass diese drei Musiker den Begriff „Musik machen“ tatsächlich wörtlich nehmen. Im Idealfall bedeutet das, nicht nur respektvoll Meisterwerke zu interpretieren, sondern auch selber Musik zu kreieren.
Der norwegische Komponist Edvard Grieg (1843 – 1907) hat 66 Lyrische Stücke für Klavier geschrieben, verteilt über seine gesamte Schaffenszeit. Sie stehen in der Tradition von Mendelssohns Liedern ohne Worte oder Schumanns Klavierzyklen und haben doch ihre eigene Note, bedingt durch die Nähe zur Folklore seines Landes und durch die persönlich-bildhafte Tonsprache. Der israelisch-amerikanische Pianist Daniel Gortler hat 21 der Miniaturen ausgewählt und sie nicht chronologisch, sondern nach dem Prinzip der Abwechslung zwischen lyrisch-zart und kräftig-zupackend angeordnet. So entsteht ein klingendes Porträt des nordischen Meisters.
Rolf Wallin (Jahrgang 1957) hat sich längst als einer der bedeutendsten lebenden Komponisten Norwegens etabliert. Nach Studien in Oslo prägten ihn später in den USA Größen wie Roger Reynolds und Vinko Globokar. Seine Musik nutzt einen ungewöhnlich breiten Erfahrungsschatz, der von flexiblen mathematischen Modellen (Chaostheorie) über Jazz- und Rockmusik bis hin zu fernöstlicher Mystik reicht. Für die drei hier vorgelegten konzertanten Werke konnten jeweils Weltklassesolisten gewonnen werden.
Liszt hat’s getan – und Randalu tut’s auch, nur ganz anders. Liszt hat Lieder von Schubert für Klavier arrangiert und sie virtuos überformt, auch, um sie noch besser bekannt zu machen. Randalu hat Schumanns Liederzyklus Dichterliebe bearbeitet, bzw. angereichert „mit klanglichen Nuancen, kreativen rhythmischen Impulsen, überraschenden Wendungen, impressionistischer Gestaltung, improvisatorischen Feinheiten und der Spontaneität und harmonischen Fülle des Jazz“ – so steht’s im zweisprachigen Booklet und so stimmt’s auch. Auf dem Cover ist der Name des Pianisten größer als der des Komponisten: Es gibt mehr Musik von Randalu als von Schumann.
Wohl nur wenige Komponisten konnten sich ihre Schaffenskraft bis ins achte Lebensjahrzehnt erhalten, ohne auf alte Muster zurückzugreifen. Viele erreichten dieses Alter gar nicht erst. Die, die es wie Heinrich Schütz, Richard Strauss und Igor Strawinsky erreichten, griffen auf bereits Bewährtes zurück. Anders Georg Philipp Telemann (1681-1767), der die literarischen Strömungen in jeder Lebensphase aufmerksam verfolgte. Als die Dichtung von Oden im erhabenen Stil durch F. G. Klopstock und Johann Andreas Cramer modern wurde, nutzte er Texte dieses antikisierenden Genres für seine späten Kompositionen und passte kompositorisch seinen Stil der zeitgenössischen Dichtung an.
Wagner paraphrasiert und arrangiert von Leopold Brauneiss und Fazil Say
Ars Produktion ARS 38 655
1 CD • 50min • 2023
07.04.2024 • 8 8 8
Unter dem Titel „Wagneriana“ finden sich im Katalog zahlreiche und sehr unterschiedliche Sammelprogramme, deren gemeinsamer Nenner darin liegt, dass die einzelnen Stücke nicht in den Originalfassungen des Meisters erklingen, sondern in Arrangements und Paraphrasen, oft auch lediglich von Wagners Werk und schillernder Persönlichkeit inspiriert sind. So ist das auch im vorliegenden Fall. Anlass war hier ein Konzert zur Feier des 150jährigen Bestehens der (seit 1977 so benannten) „Josef Matthias Hauer Musikschule“ in Wiener Neustadt, an dem ehemalige Schüler des Instituts wie der Tenor Norbert Ernst, die Pianistin Christine David und das aus drei Posaunen und einer Tuba bestehende Blechbläserquartett teilnahmen.
Musik für sechs Hörner…da kommt schnell die Idee einer Blaskapelle auf, doch damit liegt man bei der vorliegenden CD der Detmolder Hornisten völlig falsch. Es handelt sich um keine neue Aufnahme, sondern um eine der ersten aus der neuen Reihe „MDG Preziosa“, unter deren Titel das Label nun Aufnahmen herausbringen will, die für Label-Chef Werner Dabringhaus mit besonderen Erinnerungen verbunden sind und in den Jahren, in denen noch die Schallplatten stark vertreten waren, nie auf CD herausgekommen sind. Die wirklich sehr persönlichen Erinnerungen und Anekdoten von Werner Dabringhaus werden bei dieser neuen Reihe auf jeden Fall immer einen zusätzlichen Blick in das Booklet wert sein.
Zwei Monde sind auf dem Cover dieser CD zu sehen: wohlgenährt und in einer Art Blase steckend der eine, schlank und spitz der andere. Sie verkörpern zwei gänzlich unterschiedliche Charaktere: Florestan und Eusebius. Beide sind der Phantasie von Robert Schumann entsprungen, mit dem sich der Pianist Sergey Tanin besonders während der Corona-Pandemie intensiv auseinandergesetzt hat. Die vorliegende Einspielung, auf der die Davidsbündlertänze, der Faschingsschwank aus Wien, die Arabeske op. 18 und die Toccata zu hören sind, ist somit zumindest indirekt eine Frucht dieser wirren Zeit. Wirr war sicherlich auch der ein oder andere Gedanke Schumanns, doch hat das in keiner Weise auf das Spiel Tanins abgefärbt.
Die Neuaufnahme der Johannespassion Bachs beim Label Rondeau Production greift auf die erste Fassung von 1724 zurück, die in der aktuellen Auflage des Bach-Werke-Verzeichnisses unter BWV 245.1 geführt wird. Thomaskantor Andreas Reize legt dabei großen Wert darauf, sich an der traditionellen Aufführungspraxis zu orientieren. Und dies liegt besonders nah, wenn man an den Ort der Einspielung, die Thomaskirche in Leipzig, und an den Einsatz des legendären Thomanerchores wie an die Mitwirkung der auf historischen Instrumenten spielenden Akademie für Alte Musik denkt.
Diese CD ist nicht nur etwas für Musikenthusiasten, sondern auch für Hifi-Afficionados. Es gibt sie nämlich gleich doppelt: einmal als „normale“, nur geringfügig lauter ausgesteuerte Stereo-CD, aber auch als Audio Blu-ray, die von Dolby Atmos bis zu 7.1.4 Auro-3D verschiedene Audio-Formate vereint. Der Hörvergleich ist in der Tat beeindruckend: bei der Blu-ray hat man den Eindruck, man säße direkt im Konzertsaal, der Klang ist in feinste Nuancen aufgefächert, durchhörbar und ebenso klar wie natürlich. Aber auch, wenn man „nur“ die Stereo-CD hört, bleibt das klangliche Erlebnis erstklassig. Das liegt an der exzellenten Aufnahme, in erster Linie aber natürlich am Onyx Klavierduo, das hier sein Debüt vorlegt und dafür mit einer ebenso feinnervigen wie sensiblen Anschlagskultur Werke von Barber, Smit, Ravel und Mozart eingespielt hat.