Maurice Duruflé Complete Organ Works
cpo 777 042-2
1 SACD surround • 67min • 2004
24.01.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Maurice Duruflés Werke an der Orgel eines elsässischen Orgelbauers in der mittelalterlichen Kirche eines ehemaligen reichsfürstlichen Kanonissinnenstiftes am Harz, Heimat der Roswitha... Die Eigentümlichkeit dieser Kompilation weckt einige Neugier, zumal Duruflés Kompositionsweise auf dem Unterricht bei Vierne und Tournemire gründet und mit derjenigen Marcel Duprés im Anliegen satztechnischer, klavierferner Disziplin(ierung) verwandt ist, sich jedoch für den Hörer besser durchschauen lässt, weil Duruflés Neoobjektivimus und seine Reverenzen an die deutsche Cantus-firmus-Klassizität einem hiesigen Betrachter schlicht näher stehen.
Die Orgel der Manufacture d’Orgues Mühleisen, Straßburg (III/48; Baujahr 2000), in der Stiftskirche Bad Gandersheim steht in der Nordwand des Chores und spricht daher indirekt in den Kirchenraum ein. Dies mag den Orgelbauer veranlasst haben, das in der Disposition an sich konsequent nachromantisch-französisch angelegte Instrument heller zu intonieren, was aber sowohl der „intellektuell-abstrakten“ Setzweise Duruflés als auch den Anforderungen der Tonaufnahme entgegenkommt.
Andererseits wird namentlich in der zweikanalig-stereophonen Abmischung der vorliegenden Aufnahme (die CD erschien als SACD, die sowohl eine Surround- als auch eine zweikanalige Version der Aufnahme enthält) infolge der unterschiedlichen Schallabstrahlung in Richtung Osten (Chorabschluss) und Westen (recht großes Kirchenschiff) eine leichte Unsymmetrie offenbar, die aber nie störende Größenordnungen erreicht. Trotz dieser etwas „beengten“ Verhältnisse im Chor sind die Mixturen allezeit gut zu ertragen, was nicht zuletzt auch den an der Musik entlang beeindruckend perfekt aufregistrierten Registercrescendi zuzuschreiben ist, deren Urgrund ich – trotz der vorhandenen 15 x 10 [!] Setzerkombinationen – in den Leistungen der im Booklet namentlich genannten Registrantin sehe. Auch sie trägt damit zu dem überaus runden Gesamtbild dieser beispielhaften CD bei. Die in Schnitt und Mikrofonierung durchwegs perfekte Technik ließ den Organisten Friedhelm Flamme (sicher seinen Wünschen entsprechend) großflächig durchmusizieren, akzeptierte – ganz im Sinne der Sache – die dann auftretenden Umschaltgeräusche der Setzeranlage beim Registrierungswechsel, nahm auch das Knacken des Gestühles hin, das namentlich in der Surroundversion als eine der „zehn Plagen“ des Surroundtonmeisters allenthalben zu hören ist...
Mir behagt zwar das auch hier gepflegte, heute fast standardisierte „Durchlaufenlassen“ des Raumgeräusches nicht, denn ich betrachte die Schallkonserve als eine abstrakte, zum Studium auffordernde Ebene musikalischen Tuns, die der Wirklichkeit letztlich nie entsprechen kann. Aus diesem Grunde bedarf es – meiner Ansicht nach – eigener Maßnahmen, um Werkgrenzen darzustellen. Dafür eignet sich ein „digitales Null“ recht gut, wogegen ein bei Binnenzäsuren durchlaufendes Raumgeräusch den Werkzusammenhalt artikulieren sollte. Andererseits neige ich nicht dazu, aus meinen Vorstellungen (mit Luther) ein „unnötig’ Gesetz“ zu machen. Im vorliegenden Fall jedoch tauchen in den Pausen Fremdgeräusche auf, wie denn ebendort (z.B. nach dem Chant Donné) Schnitte hörbar sind, was sich hätte vermeiden lassen. Klanglich ist die Arbeit des Tonmeisters aber beispielhaft, da sie sich mit großer Sensiblilität den Vorgaben Friedhelm Flammes anpasst.
Flamme, Schüler G. Weinbergers, A. Wagners und G. Bloemekes an der Hochschule in Detmold, Kirchenmusikdirektor in Göttingen, Schulmusiker in Dassel und Lehrbeauftragter an „seiner“ Hochschule Detmold führt als zur anschaulichen Interpretation befähigter Musiker den Hörer enagiert durch die mitunter trotz Duruflés Intellektualismus’ auch recht rhapsodische Schreibart, wagt es, trotz der erheblichen handwerklichen Ansprüche großflächig durchzumusizieren, was dem geschlossenen Gesamteindruck der Publikation enorm zugute kommt.
Er setzt die sehr genauen Registrierungsangaben Duruflés im Hinblick auf Instrument und Raum für den aufmerksamen Hörer immer sinnfällig um, lässt sich bei der Wahl seiner Tempi, einer angemessenen Artikulation und Phrasierung von den Gegebenbeiten zwischen Duruflés Vorschriften einerseits und denen vor Ort andererseits leiten. Nachdem dies immer gemeinschaftlich mit den Anliegen und Möglichkeiten der Tontechnik erfolgt, bleiben für mich kaum Wünsche offen.
Die vorliegende Produktion definiert das Orgelwerk Duruflés konsequent eng und verzichtet daher auf die Wiedergabe jener Niederschriften, die Duruflé von den Improvisationen seiner Lehrer Louis Vierne und Charles Tournemire 1954 und 1958 angefertigt hatte. Desweiteren tauchen auch die Orgeltranskriptionen von Kantatensätzen Johann Sebastian Bachs in der vorliegenden Aufnahme der „Complete Organ Works“ nicht auf.
Das verbleibende, zugegebenermaßen schmale Orgelmusik-Œuvre Duruflés hält Friedhelm Flamme aber in einer Weise im Griff, die man nur bewundern kann. Hier ziehen Musik, Organist, Tonmeister, Registrantin, Instrument und Raum in seltener Weise einmütig und erfolgreich an einem Strang. Glückwunsch.
Thomas Melidor [24.01.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Maurice Duruflé | ||
1 | Suite op. 5 | |
2 | Chant Donné (Hommage à Jean Gallon, 1949) | |
3 | Meditation | |
4 | Prélude sur l'Introït de l'Épiphanie op. 13 | |
5 | Scherzo op. 2 | |
6 | Fugue sur le thème du Carillon des Heures de la Cathédrale de Soissons op. 12 |
Interpreten der Einspielung
- Friedhelm Flamme (Orgel)