Hamburg 1734
harmonia mundi HMC901898
1 CD • 66min • 2005
19.12.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Hamburg war im Barock eine erstrangige deutsche Kulturstadt: Hier öffnete Ende des 17. Jahrhunderts Deutschlands erstes öffentliches Opernhaus, und das liberale Klima der weltoffenen Hansestadt zog viele Kulturschaffende in den Bann der Elbmetropole. So wurde Hamburg auch im Spätbarock zu einem Zentrum des Instrumentenbaus, und die Cembalowerkstatt von Hieronymus Albrecht Haas genoß in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts den Ruf einer bedeutenden Baustätte dieser Instrumente, deren Zeit sich allmählich ihrem Ende näherte. Unter den Händen von Hieronymus Albrecht Haas und seiner Mitarbeiter entstand 1734 ein Instrument, das auch nach dem keinesfalls bescheidenen Geschmack der Zeit durch seine Ausmaße wenigstens als extravagant zu gelten hatte. „Niemand ist weiter gegangen als H. A. Hass im Bestreben, dem Cembalo orgelartige Weite und Vielfalt zu geben“, schreibt Andreas Staier im Begleittext zu der vorliegenden CD, und das wachsame Auge der auf Minimierung der Klangwucht zur Hervorhebung der musikalischen Strukturen bedachten Originalmusizierbewegung richtete lange seinen strengen Blick auf die Tätigkeit der Werkstatt Hass. Seine großen Instrumente wurden als das „groteske Ergebnis einer barbarischen Übertragung der klanglichen Konzeption des Orgelbaus auf das Cembalo“ verurteilt.
Andreas Staier tritt mit dieser CD einen überzeugenden Beweis gegen derartige Entartungsthesen an. Er stellt mit dieser CD sein neues Instrument vor, das Anthony Sidey nach einem Instrument von Hass aus dem Jahr 1734 gebaut hat. Mit norddeutscher Musik aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert zeigt er, daß dieser instrumentale Riese vom Wispern bis zum Dröhnen alle Register barocker und spätbarocker Musik darzustellen vermag. Neben Händels berühmter Chaconne – er begann als junger Mann seine Karriere in Hamburg – erklingen Werke von Buxtehude und Böhm, zwei norddeutschen Großmeistern, sowie sehr reizvolle Miniaturen aus der Feder Johann Matthesons, der nicht nur ein versierter Musikschriftsteller, sondern auch ein großartiger Komponist war. Matthias Weckmann und Heinrich Scheidemann lenken den Blick zurück auf die norddeutsche Tradition des 17. Jahrhunderts, sie zeigen ebenso wie das extra für das neue Instrument komponierte Begrüßungsstück des 1965 geborenen Komponisten und Staier-Freundes Brice Pauset die klangliche Weite dieses Cembalos von zartesten Tönen bis zum wuchtigen Akkord. Mit Übertragungen dreier Orchesterwerke auf Cembalo zollt Andreas Staier auch Georg Philipp Telemann, dem langjährigen Hamburger Musikdirektor, einen ehrenden Tribut. Diese Transkriptionen waren nötig, da Telemann – mit Staiers Worten – „allenfalls vorzuwerfen [wäre], daß in seinem riesigen Œuvre der Ertrag an Clavierwerken nicht gerade reich ist“. Diese CD jedenfalls bedeutet für jeden Freund der Cembalomusik eine entschiedene Bereicherung!
Detmar Huchting [19.12.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Chaconne G major HWV 435 for Harpsichord | |
Georg Philipp Telemann | ||
2 | Ouverture burlesque d-Moll (aus: Der getreue Music-Meister) | |
Dietrich Buxtehude | ||
3 | Praeludium und Fuge g-Moll BuxWV 163 | |
Johann Mattheson | ||
4 | Der Ober-Classe Dreizehntes Prob-Stück B-Dur – Con spirito | |
5 | Der Ober-Classe Siebendes Prob-Stück D-Dur – Prestissimo | |
Georg Böhm | ||
6 | Präludium, Fuge und Postludium g-Moll für Lautenwerk | |
Georg Philipp Telemann | ||
7 | Ouvertüre C-Dur TWV 55:C3 (Hamburger Ebb und Flut) | |
Matthias Weckmann | ||
8 | Toccata a-Moll | |
Heinrich Scheidemann | ||
9 | Pavana Lachrymae d-Moll | |
Georg Philipp Telemann | ||
10 | Alster-Ouvertüre F-Dur TWV 55:F11 | |
Brice Pauset | ||
11 | Entrée |
Interpreten der Einspielung
- Andreas Staier (Cembalo)