Ahmed Adnan Saygun Complete String Quartets
cpo 999 923-2
2 CD • 1h 42min • 2003, 2004
30.03.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Sicherlich muß man Ahmed Adnan Saygun (1907–1991) auch als türkischen Komponisten begreifen, als einen der erfolgreichsten seiner Nationalität im 20. Jahrhundert, ja, als Pionier der neuen türkischen Musik. Wie die faszinierende Gesamtschau seiner vier Streichquartette quasi in nuce demonstriert, ist Saygun jedoch nicht nur auf seine Rolle als türkischer Komponist zu reduzieren. Er, der in Paris studiert hat, ist keineswegs nur auf die Volksmusik seiner Heimat abonniert; es finden sich denn in den vier Quartetten, die zwischen 1947 und 1990 komponiert wurden, auch nicht übermäßig viele Orientalismen, etwa nur sparsam und punktuell auftretende übermäßige Tonschritte.
Ein zweiter Erweis seiner Unabhängigkeit ist auch, daß die vier Quartette – in Folge gehört – keine Art von einstrangig linearer Entwicklung beschreiben; in allen vier Stücken wird zwischen Avantgarde, volksmusikalischen Einflüssen und einem keineswegs altbackenen Klassizismus überlegen vermittelt. Ein besonders überzeugendes Stück ist bereits das erste Quartett von 1947, dessen Verlauf sich lange am unteren Ende der dynamischen Skala abspielt und eine kristalline, oftmals geradezu verwirrend reine und zarte Emotionalität ausbildet. Das zweite Quartett von 1958 hingegen stellt höhere Extremwerte aus, stellt sich jedoch formal als sehr überzeugend dar, ohne daß Saygun auf bestehende Schemata zurückzugreifen hätte müssen: Es ergibt sich aus steten Wellenbewegungen. Am leichtesten faßlich ist sicherlich das dritte Quartett, weil er dort am deutlichsten auf traditionelle, auch westliche Topoi zurückgreift, während das vierte Quartett am deutlichsten an die Reinheit des ersten Quartetts erinnert, diese aber mit teils grotesken, teils humorigen Gesichten anreichert.
Insgesamt zeigen die vier Quartette eine höchst fantasievolle Persönlichkeit, die in allen Phasen auf demselben hohen Niveau komponiert. Dem französischen, im Jahre 1991 in Brüssel gegründeten Quartett ist eine hervorragende Totale gelungen, weil aus einem deutlich spürbaren Interesse für den Komponisten zwischen den skizzierten Tendenzen vermittelt wird und dabei auch das musikantische Element nicht vernachlässigt wird. Der Klang des Quartetts, der vielleicht etwas hallig eingefangen wurde, ist äußerst geschlossen, aber facettenreich und lädt so zum wiederholten Zuhören ein.
Prof. Michael B. Weiß [30.03.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ahmed Adnan Saygun | ||
1 | Streichquartett Nr. 1 op. 27 (1947) | |
2 | Streichquartett Nr. 2 op. 35 (1958) | |
3 | Streichquartett Nr. 3 op. 43 (1966) | |
4 | Streichquartett Nr. 4 op. 77 (Fragment, 1990) |
Interpreten der Einspielung
- Quatuor Danel (Streichquartett)