Ludwig van Beethoven Sämtliche Klaviersonaten Vol. 3
hänssler CLASSIC 98.203
1 CD • 78min • 2005
26.07.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach dem etwas unentschieden geratenen Start von Gerhard Oppitz’ Beethoven-Totale führt die vorliegende dritte Folge mit eher unbekannten Sonaten eine deutliche Steigerung herbei. Schwer zu entscheiden ist hierbei, ob Oppitz zur Zeit dieser Sitzungen im Februar bzw. Juni 2005 einfach eine glücklichere Hand – oder besser gesagt: zwei glücklichere Hände – hatte, oder ob ihm die hier versammelten fünf, zum Teil sehr kurzen Sonaten einfach mehr liegen. Beethoven zeigt in allen diesen hier sehr sinnfällig zusammengestellten Sonaten einen Hang zur Bescheidenheit, zur Diskretion und bewußt kleinen Dimensionierung: deutlich ruhiger geht es zu, vergleicht man andernorts aufbrechende Tiefen à la „Appassionata“ oder „Pathétique“.
So kommt besonders das quasi absichtslose Räsonnieren der Sonate Nr. 10 G-Dur op. 14, 2 Oppitz’ pianistischer Persönlichkeit entgegen. Er spielt dieses lyrische Wunderwerk sehr diskret; auch seine schon in der Darstellung der ersten Sonaten festzustellenden kleinen Zeitraffer wirken hier als angenehme Verflüssigungen der Konversation; und das Finale der Sonate, das Scherzo, stellt nicht weniger dar als eine unendlich kunstvolle köstliche Nichtigkeit, ein echtes Kabinettstück. Diese Oppitz’sche Diskretion wirkt auch Wunder in dem kleinen Sonatenpaar op. 49 Nr. 1 und 2. Beim ersten Satz der Sonate Nr. 9 E-Dur op. 14,1 liegt der Schwerpunkt ebenfalls auf dem lyrischen Aspekt, wenn auch diese Festlegung auf Kosten der Energetik geht, weil die Nachschläge der Begleitung nicht drängen, sondern regelrecht beschwert wirken.
Verschiebungen der Balance ergeben sich hingegen dann, wenn die einzelnen Satzcharaktere innerhalb einer Sonate auseinanderstreben. Eine solche Störung des Gleichgewichts ereignet sich in der Sonate Nr. 4 Es-Dur op. 7: Während Oppitz den ersten Satz ausreichend massiv angeht, und besonders überzeugend mit der linken Hand, also vom Baß aus, führt, und auch das Rondo. Poco allegretto e grazioso seinem Talent für das charmante Moderato wiederum entspricht, investiert er – wie schon in den langsamen Sätzen der ersten Sonaten – für das Largo, con gran espressione zu wenig Ruhe. Immer wieder empfindet er offenkundig drohende Statik, wenn er das originale, einmal gewählte Tempo beibehält, und verkürzt einzelne Binnenstrecken, indem er einzelne harmonische Entwicklungen zusammenrafft, wo doch eine gewisse Unnachgiebigkeit gefragt wäre. Hier beeinflussen diese spontanen, ungeduldigen und latent beliebigen Zeitraffer die Stabilität der Sätze. Dennoch: Diese Fortsetzung des Beethoven-Zyklus’ lässt auf weitere Steigerungen hoffen.
Prof. Michael B. Weiß [26.07.2006]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 4 Es-Dur op. 7 | |
2 | Klaviersonate Nr. 9 Es-Dur op. 14 Nr. 1 | |
3 | Klaviersonate Nr. 10 G-Dur op. 14 Nr. 2 | |
4 | Klaviersonate Nr. 19 g-Moll op. 49 Nr. 1 | |
5 | Klaviersonate Nr. 20 G-Dur op. 49 Nr. 2 |
Interpreten der Einspielung
- Gerhard Oppitz (Klavier)