Joseph-Guy Ropartz Les Quatuors (Volume 2)
timpani 1C1115
1 CD • 60min • 2005, 2006
04.04.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Joseph-Guy Ropartz (1864-1955) soll über sein sechstes Streichquartett – sein letztes dieser Gattung und eines der letzten Werke des französischen Spätromantikers überhaupt – gesagt haben, es sei so einfach wie ein Quartett für Anfänger. Das sollte man allerdings nicht so ernst nehmen, ebenso wenig wie etliche vorschnelle Urteile der Art, Ropartz sei der letzte unbeirrbare Verfechter der Franck-Schule. Tatsache ist, dass das Werk des bislang in Deutschland so gut wie gar nicht beachteten Franzosen, vor allem seine von einem höchst individuellen Stil geprägte Kammermusik, erst noch erschlossen werden will. Starthilfe gibt hierbei das timpani-Label, für welches das Quatuor Stanilas bereits die Streichquartette Nr. 2 und 3 des Dubois-, Massenet- und Franck-Schülers eingespielt hat – eine zumindest in Frankreich vielbeachtete Aufnahme.
Auch wenn Ropartz sie als eine „freundliche Umschreibung von Langeweile“ bezeichnet hat, so durchzieht doch eine gewisse formale Strenge seine Quartette, kombiniert jedoch mit ständig wechselnden Stimmungen und meisterhaften Farbwirkungen. Die hier vorliegenden Quartette Nr. 4, 5 und 6 sind ausgesprochen flüssig geschrieben, nicht so introvertiert, wie man es Ropartz’ früheren Werken nachsagt, und sprühen stellenweise nur so vor jugendlicher Vitalität und französischem Esprit. Gerade das vierte Quartett ist von geradezu ansteckender Lebhaftigkeit; man höre nur den keck emporschießenden Anfang – so könnte auch ein Quartettsatz von Haydn, Mozart oder Beethoven beginnen. Pentatonische Züge, volkstümliche Themen und Rhythmen, raffinierte poyphone Stimmführungen und nicht enden wollende, meist nur aus einem kleinen Motiv sich entspinnende Melodielinien bestimmen die vier Sätze. Zum Hörgenuss wird dieses Werk aber erst durch das zupackende Spiel und die detaillierte künstlerische Gestaltung des 1984 in Nancy gegründeten Quatuor Stanislas.
Die vier Streicher aus den Reihen des Orchestre Symphonique et Lyrique de Nancy spielen mit einem an dynamischen und klangfarblichen Nuancen ungemein reichen Ton zwischen stiller Einkehr und souveränem Auftrumpfen. Davon profitieren in besonderem Maße die Weltersteinspielungen der Quartette Nr. 5 und 6. Deren formale Geschlossenheit erreicht Ropartz auf unterschiedliche Weise. Handelt es sich bei dem rhapsodisch ausformulierten, eher ernst gehaltenen fünften Quartett („quasi una fantasia“) um fünf kontrastierende, nahtlos ineinander übergehende und wieder zum Beginn des Werkes zurückführende Charaktere, so ist das elegante Quartett Nr. 6 wieder der klassischen Viersätzigkeit verpflichtet: mit den Ecksätzen in Sonatenform, einem Scherzo samt Trio an zweiter und einem nocturneartigen, meditativen Lento an dritter Stelle. Aber welche harmonische Sprache: Mögliche Regeln für harmonische Fortschreitungen scheinen hier außer Kraft gesetzt; und doch verblüfft das ganze Werk mit einer faszinierenden klanglichen und formalen Geschlossenheit, welche die der beiden vorangegangenen Quartette bei weitem übertrifft.
Auf jeden Fall handelt es sich bei den eingespielten Werken um eine Musik, die es lohnt, dass man sich näher mit ihr befasst. Nur hätte ich mir von einem Label, das sich die Wiederentdeckung von Joseph-Guy Ropartz auf die Fahnen geschrieben hat, ein wenig mehr an Informationen über diesen hierzulande nahezu unbekannten Komponisten im CD-Booklet gewünscht.
Christof Jetzschke [04.04.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Guy Ropartz | ||
1 | Streichquartett Nr. 4 E-Dur | |
2 | Streichquartett Nr. 5 D-Dur (Quasi una fantasia) | |
3 | Streichquartett Nr. 6 F-Dur |
Interpreten der Einspielung
- Quatuor Stanislas (Ensemble)