hänssler CLASSIC 98.259
1 CD • 76min • 2006
07.01.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Henri Sigfridssons nachdenklich-virtuose, wenn nötig auch tänzerische, insgesamt bis zur Ungeheuerlichkeit skandinavische Sibelius-CD in Erinnerung, weckt diese prallvolle, an die Zeitgrenzen einer herkömmlichen CD st0ßende Rachmaninoff-Aufnahme unwillkürlich das Interesse eines seit Jahrzehnten auf den russisch-globalen Komponisten abonnierten Rezensenten. Der finnische Pianist nimmt es mit einer Unzahl an Konkurrenten auf. Und er hat einiges an lyrischer Versenkung, genauer: an anschlagstechnischer Scheu zu bieten, so wie sie im Verlauf etwa des Unisono-Themas am keusch-melodiösen Beginn des d-Moll-Konzerts auf Tasten zu singen ist. Sigfridsson entwickelt, entfaltet, türmt und schichtet im Folgenden dieses im Kleinen winkeligen, vertrackten, im Dramatischen schier gewalttätigen Konzertaufbaus eine logische Folge von ineinander verschränkten Klang- und Bewegungswundern, nimmt das Orchester findend und fordernd auf diese Reise mit, soweit dieses Ensemble sich in den Tutti und in den raffiniert begleitenden Passagen in der Lage sieht, auch alles an Finessen nicht nur bereitzustellen, sondern auch wirklich konzertierend mitzugestalten. Man muss bei dieser Gelegenheit die phänomenale Orchesterarbeit RSO Berlin unter der Leitung von Riccardo Chailly erwähnen, die – an der Seite von Martha Argerich – für mein Empfinden das Non plus ultra in diesem komplexen Aufgabenbereich darstellt. Hier bleiben die Stuttgarter Radio-Sinfoniker nicht alles, aber doch manches schuldig, was das gruppendynamische Eingehen auf solistische Ideen, auf Phrasierungsangebote des Pianisten anbelangt; dennoch: Sigfridssons markante, wenn nötig dunkle, düstere, schwefelnde Tongebung (Beginn von op. 18!), seine aggressive Beherrschtheit in den großen Akkordstrecken beider Konzerte, seine filigrane Ausleuchtung der vielen, vielen kleinen Noten – vor allem im d-Moll-Konzert! –, dazu die souveräne Behandlung der tanzseligen Tonrepetitionen gegen Ende des Mittelsatzes aus op. 30 weisen ihn aus als Interpreten mit bestem Spürsinn für den Ausgleich zwischen unverzichtbarer Eigensinnigkeit und Hellhörigkeit im Sinne konzertanter Kammermusik im großen Stil.
Zimermans Aufnahme des c-Moll-Konzerts wäre allein schon vorzuziehen, weil hier das Bostoner Orchester bis ins Letzte eine ausgefeilte Leistung bietet. Alexis Weissenbergs Einspielung mit Prêtre bleibt als faszinierendes Experiment eines abgekühlten, frenetisch eisigen Rachmaninoffs in Erinnerung – um nur zwei Fußnoten zum stetig anwachsenden Katalog dieser Klavierkonzerte zu formulieren. Sigfridsson – dies meine ganz persönliche Wertung – platziert sich in dieser Familie der Hochleistungsvirtuosen im obersten Drittel – und das will schon etwas heißen angesichts einer gewaltigen Mitstreiterschaft.
Vergleichsaufnahmen: Biret – Wit (Naxos 8.501005), Ashkenazy – Previn (Decca 455234-2), Hough – Litton (Hyperion SACD 67501/2); Nr. 2 op. 18: Zimerman – Ozawa (DG 459643-2); Nr. 3 op. 30: Weissenberg – Prêtre (RCA), Katsaris – H. Neumann (piano 21 020A), Onay – Ashkenazy (Bilkent Universitesi 190507-164/DVD), Oborin – Ivanov (APR 6005), Horowitz – Mehta (DG VHS 073118-3), Volodos – Levine (Sony ASK 64384, Pletnev – Rostropovich (DG 471576), Argerich – Chailly (Philips 456700).
Peter Cossé † [07.01.2008]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll op. 18 | |
2 | Konzert Nr. 3 d-Moll op. 30 für Klavier und Orchester |
Interpreten der Einspielung
- Henri Sigfridsson (Klavier)
- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (Orchester)
- Stefan Solyom (Dirigent)