BIS 1432
1 CD/SACD surround • 71min • 2007
28.03.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Diese Neu-Einspielung von Tschaikowskys altem Schlachtroß ist eine erfreuliche Überraschung, und dies in glücklicher Kopplung: Zu Beginn erklingt Alexander Glazunovs schönes, konzentriertes a-Moll-Konzert. Aufmerksamkeit verdient auch das mittlere Werk, das dreiteilige Souvenir d'un Lieu Cher op. 42 (benannt nach dem Anwesen von Tschaikowskys Gönnerin Nadeschda von Meck). Denn bei dem ausführlichsten der drei Sätze daraus, dem einleitenden Andante (Méditation) handelt es sich um den ursprünglich vorgesehenen langsamen Satz des Violinkonzerts op. 35. Und da Glazunov diese drei Stücke für Violine und Klavier drei Jahre nach Tschaikowskys Tod ausgesprochen stilnah und einfühlsam instrumentierte, versetzt einen diese CD bei entsprechender Programmierung in die Lage, das Violinkonzert auch mit seinem ursprünglichen langsamen Satz zu hören. Auch das nachfolgende virtuose, kurze Scherzo c-Moll (Tr. 3) wirkt, als habe der Komponist Material retten wollen, das ursprünglich für das Konzert vorgesehen war. Das abschließende Stück (Mèlodie, Tr. 4) ist vergleichsweise beiläufig, ja banal im Vergleich zu den beiden ersten. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, Tschaikowsky sei möglicherweise nicht gut beraten gewesen, als er auf seinen Bruder Modest und seinen damaligen Freund, den Geiger Josef Kotek, hörte und die ursprüngliche Méditation durch die heute bekannte, ähnlich konzipierte Canzonetta (Tr. 6) ersetzte, nicht zuletzt, weil die Canzonetta weitaus weniger kontrastreich und ein Drittel kürzer ist, wodurch die Balance des zweiten und dritten Satzes gegen den langen Kopfsatz etwas gestört ist.
Der Solist der CD, Vadim Gluzman, vereint von seinem Werdegang wie auch von seinem Können her das beste der Geigenschulen in Ost und West ? traditionell russische Schule, gepaart mit amerikanischer Virtuosität. Hinzu treten ein weicher, aufblühender Geigenton und ein dunkles, volles Timbre (am Anfang des Glazunov-Konzertes meint man eine Bratsche zu hören!). Das Vibrato ist nicht so schwerblütig und üppig, wie man es oft hört, und für meinen Geschmack nicht differenziert genug. Gluzman erfreut mit einer glutvollen, musikantisch hinreißenden Wiedergabe, die keine Wünsche offen läßt, dargeboten übrigens auf jener Stradivari, die einst der ungarische Geigenvirtuose Leopold Auer besaß, der pikanterweise gegenüber Tschaikowsky die Uraufführung des Violinkonzerts abgelehnt hatte. Eine Überraschung ist das Spiel des Orchesters aus dem norwegischen Bergen, das in seinen Jahren unter Dmitri Kitaenko und Simone Young ausgesprochen abgebaut hatte, aber seit 2003 unter der Leitung von Andrew Litton in verblüffend kurzer Zeit zu neuer Hochform aufgelaufen ist. Unter ihm entfaltet das Bergen Philharmonic Orchestra einen differenzierten, gleichwohl üppig aufblühenden Gesamtklang und musiziert ausgesprochen temperamentvoll. Besonders das Finale des Violinkonzertes ist ein Feuerwerk, das sich zu einem atemberaubenden Schluß steigert. Das Klangbild der Produktion ist leicht angeschärft und ziemlich direkt, hat aber im SACD-Modus optimale Weite, Perspektive, Trennschärfe und Tiefe; darauf bezieht sich die 10er Wertung. Im Stereo-Zweikanal verliert der Klang etwas an Räumlichkeit und verschlechtert die Balance zwischen Solo und Orchester, ist aber immer noch sehr ordentlich.
Dr. Benjamin G. Cohrs [28.03.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Alexander Glasunow | ||
1 | Violinkonzert a-Moll op. 82 | 00:18:28 |
Peter Tschaikowsky | ||
2 | Souvénir d'un lieu cher op. 42 | 00:17:29 |
5 | Konzert D-Dur op. 35 für Violine und Orchester | 00:33:58 |
Interpreten der Einspielung
- Vadim Gluzman (Violine)
- Bergen Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Andrew Litton (Dirigent)