Decca 478 0473
1 CD • 53min • 2008
04.11.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Von dieser Stimme wird wohl jeder Mensch, der eine Inklination für Gesang hat, tief beeindruckt sein. Sie tönt voll, rund und harmonisch, sie steht im vollen Saft der Jugend da, sie erklingt mit jener Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die das Zuhören zur reinsten Wonne macht. Seit dem Debüt von Bryn Terfel hat es kein ähnliches Elementartalent in der Baß- und Baßbaritonregion gegeben wie jetzt Erwin Schrott. Bei Erscheinungen dieser Art hat man das Gefühl, daß die Naturgaben förmlich aus allen Zweigen hervorsprießen. Solche Menschen müssen ganz einfach Sänger werden.
Erwin Schrott hat zwar einen kerndeutschen Namen, stammt aber aus weiter Ferne, aus Uruguay (geboren 1972 in Montevideo). Innerhalb weniger Jahre hat er sich einen stolzen Rang in der weltweiten Sänger-Elite erworben. Daß er seinerzeit bei einem Gesangswettbewerb in Wien durchgefallen ist, beweist eigentlich nur, daß manchmal die allerärgsten Banausen in der Jury sitzen.
Mit seinem Debutalbum bei Decca legt Erwin Schrott so etwas wie eine künstlerische Visitenkarte vor. Mozart-Arien sind anscheinend seine Favoriten: Figaro, Leporello, Don Giovanni. Dazu gibt es noch elegische Gesänge aus Verdi-Opern (Philipp, Banquo), zuletzt Dämonisches, Teuflisches von Berlioz, Gounod, Meyerbeer. Alles korrekt, zuverlässig, aber ohne besondere Inspiration begleitet vom Staatsorchester Valencia.
Mit Anerkennung stellt man fest, daß Erwin Schrott sich nicht bloß als grandioser Stimmbesitzer präsentiert, sondern ein Bemühen um feinfühlige Gestaltung an den Tag legt, so in der (französisch gesungenen) Philipp-Arie aus Don Carlos. Außer den erzenen forte-Tönen vernimmt man auch ein sehr feines, schwebendes piano, wie das nur wenige Baßstimmen fertigbringen. Die Bösewichte wie Gounods Mephisto stattet er mit merklichem Behagen und wirkungsvoller Komödiantik aus. Aber sein Allerbestes gibt er bei Mozart. Da merkt man das rechte Zuhause-Gefühl, da läuft alles wie von selbst auf goldener Spur dahin. Sein Figaro dürfte heute nur wenige Konkurrenten besitzen. In dieser Partie ist überdies auch die Dimension der Stimme vollkommen richtig definiert.
Alles großartig, keine Einwände? Nicht ganz. Daß die hohen Töne manchmal einiges an Rundung verlieren, kann kaum als Einschränkung genannt werden. Was hingegen dem Sänger jetzt noch mangelt, ist der Schliff, die Vollkommenheit des musikalischen Vortrags. Leporellos Registerarie: sicher bravourös gesungen, aber dennoch fällt manches unter den Tisch oder wird verschluckt. Allein das Eingangswort „Madamina“ wird unvollkommen intoniert, die letzte Silbe geht verloren. Wagners Wort von der Wichtigkeit der kleinen Silben fällt einem da ein. Dieses Nicht-ganz-zu-Ende-Singen, das Fallenlassen von Endsilben, das Drüberhuschen bei raschen Stellen, die Unschärfe mancher Passagen – all das müßte der Sänger noch überwinden. Früher waren es die Kapellmeister, die auf solche Grundsätze der Disziplin geachtet haben, heute scheint das nicht mehr der Fall zu sein. Ohne jetzt die „Unsterblichen“ heraufzubeschwören – aber von Künstlern wie Pinza, Siepi, Christoff, Ghiaurov, läßt sich in dieser Hinsicht manches lernen. Auch von Schaljapin, bei aller Problematik seiner Leporello-Arie.
Erwin Schrott hat das Zeug zu einer Sängerkarriere großen Formates und es ist zu wünschen und zu hoffen, daß er – um ein schönes Wort von Ferdinand Raimund zu verwenden – diesen Weg als „Mann von Politur“ beschreitet.
Clemens Höslinger [04.11.2008]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
1 | Madamina! Il catalogo è questo (Arie des Leporello, 1. Akt, 5. Szene - aus: Don Giovanni KV 527) | 00:05:37 |
Giuseppe Verdi | ||
2 | Elle ne m' aime pas (aus: Don Carlos) | 00:09:58 |
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
3 | Heiß' mich nicht reden (3. Akt: Don Giovanni - aus: Don Giovanni KV 0527) | 00:02:05 |
4 | Fin ch'han dal vino (Arie des Don Giovanni, 1. Akt - aus: Don Giovanni KV 527) | 00:01:29 |
5 | Se vuol ballare, signor Contino (1. Akt - aus: Le nozze di Figaro KV 492) | 00:03:26 |
Giuseppe Verdi | ||
6 | Studia il passo, o mio figlio – Come dal ciel precipita (Szene des Banco aus dem 2. Akt - aus: Macbeth) | 00:04:00 |
Hector Berlioz | ||
7 | Voici des roses (aus: La Damnation de Faust op. 24) | 00:02:47 |
Wolfgang Amadeus Mozart | ||
8 | Aprite un po' quegl'occhi (1. Akt - aus: Le nozze di Figaro KV 492) | 00:04:38 |
9 | Non più andrai farfallone amoroso (Arie des Figaro, 1. Akt - aus: Le nozze di Figaro KV 492) | 00:03:53 |
Charles Gounod | ||
10 | Vous qui faites l'endormie (Serenade - aus: Faust) | 00:02:37 |
Giuseppe Verdi | ||
11 | Et toi Palerme (aus: Les vêpres siciliennes) | 00:07:41 |
Giaccomo Meyerbeer | ||
12 | Voici donc les débris ... Nonnes, qui reposez (aus: Robert le Diable) | 00:03:46 |
Interpreten der Einspielung
- Erwin Schrott (Bass)
- Riccardo Frizza (Dirigent)
- Orquestra de la Communitat Valenciana (Orchester)