BIS 1482
1 CD/SACD stereo/surround • 70min • 2004
08.01.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Das lupenreine flautando am Anfang des großen Schostakowitsch-Trios genügte, um mich förmlich in diese Aufnahme hineinzuzwingen. Ist das ein Flageolett? Ein Theremin? Sind es die ätherischen Ondes Martenot? Nein, ist wohl doch die Violine, die gleich in den ersten Takten des bekannten Werkes den feingesponnenen Schleier von dem musikalischen Volks- und Ammenmärchen zieht, wonach der Komponist in seinem Opus 67 (und nicht nur in diesem) nichts als höchste Leiden, Schmerzen und Qualen zwischen die Notenzeilen gezwängt hat ...!
Ich kann dieses Geleier nicht mehr hören! Zu sehr schätze ich den ganzen Dmitri Schostakowitsch, zu sehr bewundere ich seine kluge, schlaue Art, die ärgsten Klippen politischer Kunstunterdrückung anzusteuern, um sie nasedrehenderweise zu umschiffen, und zu sehr liebe ich seinen intelligenten Spott, als daß ich mich noch immer mit dieser verführerischen und doch so zwecklosen Monokultur der Pein bescheiden könnte. Und die drei Musiker des Kempf Trios sind anscheinend zu ganz ähnlichen Ansichten gelangt, denn in ihrer rundum hinreißenden Produktion kommen sie nicht einmal in die Nähe jener klebrigen, schmierig triefenden Gestalten, die Mitleid aus einem einzigen Grunde erbetteln – weil damit zu machen ist ein Geschäft.
Wirklich große Kreationen brauchen das nicht einmal dort, wo tatsächliche Tragödien den Schaffensprozeß ausgelöst haben. Es ist nicht nötig, die Ereignisse („nach einer wahren Geschichte“) sentimental überkochen zu lassen, wenn die höheren Kräfte richtig empfunden, wenn organische Steigerungen natürlich ausgeführt werden, wie es beispielsweise hier im Kopfsatz des e-Moll-Trios geschieht. Man kann auf den scheppernden Krawall verzichten, kann wilde Totentänze ohne Qualitätsverlust auch gemächlichen Schrittes tanzen und erstickte Kantilenen ohne Träne auf dem Griffbrett singen: Bedeutendes besteht diese Nagelprobe, und deshalb darf man auch dem frühen Klaviertrio c-Moll op. 8, in dem Dmitri Schostakowitsch einige Rezepturen seiner kommenden ersten Sinfonie anrührt, ohne Zögern das Attribut der Größe anheften – wenn’s denn so überlegt auf eine Apotheose hin angelegt ist, die einem die Schauer über den Rücken jagt.
Alfred Schnittkes Klaviertrio aus dem Jahre 1992 hält das Niveau des bis dahin Gehörten. Die Bearbeitung des Streichtrios, das Schnittke 1985 zu Alban Bergs 100. Geburtstag geschrieben hatte, geht ebenso unter die Haut wie das Original, das Gidon Kremer, Yuri Bashmet und Mstislaw Rostropowitsch seinerzeit bei EMI herausgebracht haben und ist ohne Zweifel eine ebensolche Repertoirebereicherung – die übrigens, das sei dem Verfasser des Einführungstextes ins Stammbuch geschrieben, sehr wohl polystilistisch komponiert und mit Zitaten versehen ist: „Happy Birthday to You” überblendet sich seltsamerweise mit der amerikanischen Nationalhymne, ein Zapfenstreich tönt, und nicht alles, was langsam ist, muß automatisch auch schmerzlich sein.
Rasmus van Rijn [08.01.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dimitri Schostakowitsch | ||
1 | Trio Nr. 2 e-Moll op. 67 für Violine, Violoncello und Klavier (In memoriam Iwan Sollertinski) | 00:27:39 |
5 | Trio Nr. 1 c-Moll op. 8 für Violine, Violoncello und Klavier | 00:12:54 |
Alfred Schnittke | ||
6 | Klaviertrio (1985/1992) | 00:27:47 |
Interpreten der Einspielung
- Kempf Trio (Klaviertrio)